Von der Allmende bis zum heutigen "Verein der ehemaligen Rechtler der Ortsgemeinde Oberstdorf"

von Christoph Hörmann am 01.12.1986

Der vorliegende Beitrag wurde im Frühjahr 1986 als Facharbeit im Rahmen des Leistungskurses Erdkunde (Kollegstufe, Gertrud-von-le-Fort-Gymnasium Oberstdorf) bei Herrn Oberstudienrat Dr. Günther Messenzehl angefertigt.

Der weltbekannte Fremdenverkehrsort Oberstdorf hat einen Teil seines bodenständigen Charakters erhalten, nicht zuletzt durch die Unterstützung des Vereins, mit dem sich diese Arbeit besonders beschäftigt.

Bei dem großen Brand wurde im Jahr 1865 der Ort von der Metzgerstraße bis zur Fischerstraße völlig zerstört, doch ein paar schöne alte Bauernhäuser sind im unteren und oberen Markt erhalten geblieben, die uns an das ursprüngliche Bauerndorf erinnern. Von alters her gehörte zu jedem Dorf im alemannischen Raum und darüber hinaus eine Allmende. Auch Oberstdorf besaß eine solche ausgedehnte Allmendeflur. Sie umfaßte Wald und Weide, Weg und Wasser im Gebiet der Dorfgenossenschaft und galt als unverteilter Besitz der Dorfgenossen. Der Sinn, diese Flächen nicht aufzuteilen, bestand darin, eine kosten- und zeitsparende Bewirtschaftung zu ermöglichen. Aus dieser Allmende heraus vollzog sich eine Entwicklung zum heutigen „Verein der ehemaligen Rechtler”. Das Aufzeigen dieses Entwicklungsganges und die Herausstellung der Bedeutung dieses Vereins liegt dieser Arbeit als Thema zugrunde.

1. Die landwirtschaftlichen Verhältnisse in der Allmende

Die „Hofstatt”, auf der der Bauer des 14. und 15. Jahrhunderts saß, war entweder freies Eigentum oder grundherrlicher Besitz. Die meisten Oberstdorfer Bauern waren Lehensleute der Herren von Rettenberg und Heimenhofen sowie des Hochstifts zu Augsburg. Dadurch waren sie verpflichtet, den Zehnten aller ihrer erwirtschafteten Güter an den Lehensherrn abzugeben und diesem drei Tage im Jahr Hand- und Spanndienste zu leisten. Durch den Besitz oder die Pacht einer Hofstatt erwuchsen dem Bauern aber auch Rechte in der Dorfgenossenschaft. Diese Rechte waren hauptsächlich Nutzungsrechte, wie etwa das Weiderecht auf der Allmende. So durfte jeder, der eine Hofstatt besaß, sein Vieh mit der Dorfherde auf die Gemeindeweiden treiben. Die Tiere wurden von einem Hirten beaufsichtigt, für dessen Entlohnung die Dorfgenossen aufkamen. Bis ins Jahr 1494 hatten die Hofstattbesitzer uneingeschränktes Holznutzungsrecht im Gemeindewald. Jeder Dorfgenosse durfte sich sein Brenn- und Bauholz schlagen, aber nur so viel, wie für seinen Eigenbedarf notwendig war. Der Verkauf des Allmendeholzes war verboten. Als ein weiteres Nutzungsrecht wäre das Fahrtrecht zu den Wiesen zu nennen.

Natürlich waren mit den Rechten auch Pflichten verbunden, so etwa die Pflicht zur Mithilfe beim Bau öffentlicher Gebäude, z. B. der Mühle, bei der Erstellung von Wasserverbauungen und die Zaunpflicht, d. h. der Bauer mußte mithelfen, die Allmende-Viehweiden vom Ackerland durch „Etter” (= Zäune) zu trennen. Das Dorfding, die Versammlung aller Männer des Dorfes, die eine Hofstatt besaßen, traf Entscheidungen, wie z. B. die Aufnahme in die Dorfgenossenschaft und die Verleihung des Hofstattrechtes. Die Dorfordnung regelte das persönliche und wirtschaftliche Zusammenleben in der Dorfgenossenschaft. Die gemeinschaftliche Weidenutzung bezog sich nicht nur auf den Genossenschaftsbesitz, sondern auch auf die Felder und Wiesen, die sich im Privatbesitz des Anwesens-Inhabers befanden. Zeitpunkt und Dauer der Beweidung wurden durch die Dorfordnung festgelegt. Hier ein Beispiel für eine solche überlieferte Dorfordnung:

Der Zettel aber lautete „von Wort zu Wort" (älteste Dorfordnung):

  • 1. Wenn die Herrschaft hierher (nach Oberstdorf) kommt, soll man dreimal läuten lassen. Die Gemeindsmänner, die dann nicht zum ehehaften Gericht kämen, die sollten in eine Strafe von 5 Schilling Hallern verfallen sein, gleichgütlig, welchem Herrn sie zugehörig seien.
  • 2. Die „Herrschaft" soll in dem Gericht den Vorsitz führen; wer verhandeln läßt und den Prozeß verliert, soll der Herrschaft 5 Schilling Haller Strafe bezahlen (welche vorher als Pfand eingelegt werden mußten).
  • 3. Es geht ein Etter (Dorfzaun, s. Abb. 33) ums Dorf, der soll ganz sein (das heißt, das ganze Dorf umfassen). Wer außerhalb des Etters sitzt, soll hereinziehen und die Häuser außerhalb abtun.
  • 4. Wer ein Stück Land als Ackerland einzäunt oder seine Hofbeind erweitert (ohne Einwilligung der Dorfgenossen), dem soll das durch die vier Eidgenossen verboten werden. Wird er von diesen vor Gericht schuldig gesagt, so soll er bestraft werden.
  • 5. Wegen (der Weide) der Rosse soll es gehalten werden, wie es die Eidgenossen gebieten.
  • 6. Wegen der Tagweid wird bestimmt: Vom Dewmelsperg, so weit die Viehruhr (= Viehtrieb) trifft, soll niemand innerhalb mit seinem Vieh liegen. Dann fährt die Herde um den Kienberg herum nach Retterstelle, Ortrubin, dann zum Dietersberg bis in den Dietersbach. Hier liegt aber Ruef Henngi; er soll mit seinem Vieh den Berg hinauffahren und nicht in die Wiesen. Auf den Burtasch hinter mag er fahren, aber nicht hervor.
  • Der Lederer mag einhagen (einzäunen), was er mit der Seges (Sense) greift (also als Wiesenland benötigt), das andere soll Viehweid sein (Er erhielt also Erlaubnis auf der Allmende Land einzufangen).
    Auch auf der Platten (Plattenbichel) kann einer liegen, aber nicht über die steinerne Brücke Vorfahren (Mühlenbrücke?).
  • Weiter fährt die Herde in Möhrlis Schwand. Da können die Mörlin wohl liegen und weiter hinter fahren, aber nicht hervor. Die Dorfgenossen dürfen aber an ihrer Ochsenweide nicht geirrt werden.
  • Auch in den Schwanden kann einer liegen über des Voglers Stall und über Peterles Schwand; aber er soll nur das eine Jahr da hinauffahren; das andere Jahr soll es gemeine (allgemeine) Ochsenweide sein.
  • Weiterhin mag die gemeine (allgemeine) Herde weiden können, soweit die Hirten fahren können, weit und breit. Daran soll sie niemand engen noch irren.

Von den Bauern wurde Zweifelderwirtschaft betrieben, d. h. einer der beiden Ösche (man unterscheidet vorderer und hinterer „Esch”) wurde bis zur Erschöpfung mit Getreide und anderem bebaut, während der andere zu dieser Zeit als Weideland diente, um dann wieder umgebrochen zu werden. Es wurde vor allem Gerste, Roggen, Hafer, Bohnen, Erbsen, Linsen, später auch Kartoffeln und Flachs angebaut. Gerade der Flachsanbau war weitverbreitet und der blaublühende Flachs ließ die Leute vom „Blauen Allgäu” sprechen.

Die unterschiedlichen privaten und gemeindlichen Interessen stellten ein großes Problem dar; denn auf der einen Seite benötigten die Bauern die Allmendeweiden für ihr Vieh, auf der anderen Seite erhoben aber immer mehr Neusiedler Anspruch auf Land zur Errichtung einer eigenen Hofstatt. Die Folge war, daß die Allmende immer kleiner wurde, während die Bauern ihren Verlust an Weideland durch verstärkte Rodung wettzumachen versuchten und dadurch der Anteil an privatem Weidegrund ständig wuchs.

Die Landwirtschaft spielte sich zu dieser Zeit hauptsächlich im Tal ab. Über wesentlichen Alpbesitz und Alpenbenutzung von Oberstdorfern ist nichts bekannt. Die einzige gemeindliche Alpe war 1436 Laufbach. Da die Oberstdorfer keine „Urmark” auf dem Talkessel und die Wälder besaßen, gehörte ein großer Teil des Gebietes dem Hochstift Augsburg und Privatleuten aus dem Kemptener Raum. 1477 wurde der ganze Bereich unterhalb Schlappold als Allmende bezeugt. 1493 ist der Randbereich der Kornauer Flur, angefangen von der Breitach über den Höllwiesrücken bis zur Grenze gegen die Alp Söller als Allmende beurkundet. Weiter als Allmendeweiden sind Dummelsmoos, Rettestelle, Kienberg, Ortruben, Dietersberg, Platten (-Bichel?) und Ellenschwanden bekannt. Die Rubinger Oy wurde nach einem Schiedsspruch von 1439 gemeinsam mit den Rubingern bis ins 19. Jahrhundert genutzt.

Im 18. und 19. Jahrhundert setzte eine starke Entwicklung hin zur Milchwirtschaft ein. Die Bauern verwandelten die Äcker in Grasland. Ein Grund für dieses Handeln war, daß Grünland nicht zehntpflichtig war, d. h. sie mußten keine Abgaben von ihren ohnehin kargen Einnahmen an ihren Lehensherrn entrichten. Ein weiterer Grund war, „daß die Sömmerung des Viehs auf den Alpweiden der Züchtung eines besonders gesunden, Widerstands- und leistungsfähigen Schlages große Vorteile bot (auch für den Viehhandel). In der Aussicht auf ein besseres Auskommen mag dies die Oberstdorfer bewogen haben, die mit der Alpwirtschaft verbundenen Schwierigkeiten gemeinsam zu meistern. So entstand eine ganze Anzahl genossenschaftlicher Alpen. Im 17. und 18. Jahrhundert besaß Oberstdorf Alpen, wie Eschbachalpe (Sennalpe), Gerstruber Alpe (Sennalpe) und Laufbachalpe (Galtalpe = Jungviehalpe). Entlohnt wurden die bestellten Hirten von der Dorfgenossenschaft. Dabei hatte jeder Dorfgenosse ein Verrichtegeld zu bezahlen, d. h. die Gesamtalpenkosten wurden umgelegt auf die jeweilige Viehstückzahl.

Wenn im Herbst die Tiere wieder von den Alpen zurück ins Tal kamen, begann der genossenschaftliche Weidebetrieb auf den Allmendeweiden. Da das Vieh durch die Schrottwege (= Wege zu den Öschen) und die „Gassen” (= Wege, von hohen Hecken eingezäunt) auf die Weide getrieben wurde, entstand der Begriff „Gassenkuh”, die in der Frühe ausgetrieben und abends wieder heimgetrieben wird.

Rechtler - Heft 10

Das Oberstdorfer Ackerland mit den Flurnamen des 15. Jahrhunderts.

Damals galt der Grundsatz, daß keiner der Hofstattbesitzer mehr Vieh auf die Gemeindewiesen treiben durfte, als er wintern konnte. Es galt also für den Allmendeberechtigten für möglichst viel Winterheu zu sorgen oder den vorhandenen Vorrat möglichst zu schonen. Den Vorrat schaffte er durch Gewinnung von Heu auf den zweimähdigen Wiesen im Tal und den einmähdigen Wiesen in den Höhenlagen an.

2. Entstehung der „Rechtler”

1. Der Kuratelbeschluss

Wie schon vorher erwähnt wurde, hatte jeder Hofstattbesitzer eine ganze Reihe von Rechten, die ihm zustanden. Er mußte aber auch Pflichten für gemeinschaftliche Aufgaben erfüllen, die sich mit dem Anwachsen des Ortes eher vergrößerten. So waren im 19. Jahrhundert folgende Dienste zu leisten:

Gemeinschaftliche Aufgaben waren: 1. die Uferbebauungen an der Trettach und Stillach, am Oybach, Faltenbach und sonstigen Bächen, soweit genossenschaftliche Grundflächen Ufergrundstücke waren. 2. Die Trinkwasserleitungsanlagen vom Schattenberg über die Trettach, dann im Dorfbach durch den Markt, der Dorfbach selbst als Zubringer von Löschwasser im Falle von Gebäudebränden. 3. Der Unterhalt der Brücken: Mühlen-, Faltenbach-, Ziegelbach-, Klingen-, Zimmeroy-, Gundsbach- und Buchrainermöslebrücke. 4. Das Räumen der Viehweiden und der Viehtriebe, die Instandhaltung der Ortsgassen im Markt, in Jauchen und Reute, des Ringangerstaigs und des Buchrainerstiegs.

Diese vorgenannten Verpflichtungen mußten von den Anwesensbesitzern durch Arbeitsleistung (Frondienst) getätigt werden. Bei größeren Arbeiten, z. B. Räumen und Schwenden, Hochwasser usw., wurden je nach Bedarf 1 oder 2 Viertel zur Arbeit aufgeboten. Zu erscheinen hatten von jedem Haus alle männlichen Personen ab 18 Jahren, ausgenommen alte und gebrechliche Leute. Witwen wurden nur zum halben Tagwerk angenommen, ebenso Jugendliche von 16-18 Jahren.

Im Jahre 1848 gab es bereits 50 der 419 Hofstattbesitzer, die kein Vieh mehr besaßen und so die Allmendeweiden nicht in Anspruch nahmen. Sie mußten aber trotzdem die volle Fronarbeit leisten. Es ist verständlich, daß es hierüber Unzufriedenheit gab und so wurde 1850 eine neue Frondienstordnung erlassen, die aber immer noch nicht den Vorstellungen der Nichtviehbesitzer entsprach. Deshalb kam es zu einem Antrag an das Landgericht Sonthofen zur Änderung der Dorfordnung. Hierauf erging 1861, also 11 Jahre später, ein sogenannter Kuratelbeschluß. Nach diesem wurden die Weiden unterteilt in Jungvieh- und Kuhweiden.

Für jedes auf die Jungviehweiden ausgetriebene Stück Jungvieh mußte ein bestimmtes Weidegeld bezahlt werden. Der Gewinn, der verblieb nach Abzug der Grundsteuer und sonstiger Unkosten, wurde innerhalb der Genossenschaft in gleichen Teilen ausgezahlt. Jeder „Nichtkuhhalter” erhielt ca. 0,5 ha der Kuhweiden zur freien landwirtschaftlichen Verfügung, ohne Anspruch auf Eigentum (Kulturpachtteile). Die übrigen Weideberechtigten konnten den Sommer über je Nutzungsanteil eine Kuh austreiben. Die Zeitdauer dieses Kuratelbeschlusses wurde auf 25 Jahre von 1861 bis 1886 bestimmt. Mit dem Inkrafttreten dieses Beschlusses wurde ein Schlußstrich unter die bisherige unentgeltliche Weidenutzung der viehhaltenden Hofstattbesitzer gezogen und dadurch eine gerechtere Nutzungsmöglichkeit für die „Nichtkuhhalter” geschaffen.

Für die Ortsgemeinde Oberstdorf wurde von diesem Zeitpunkt an der Begriff des „Rechtler” als Gemeinderechtsinhaber geprägt. Jeder Hofstattbesitzer in Oberstdorf hatte einen Anteil an der Allmendeberechtigung, die an der Hausnummer zu ersehen war. Nur ganze Nummern, d. h. keine a- und b-Nummern, konnten Anspruch auf einen Anteil erheben. Somit lag das „Recht” auf dem Haus und nicht auf dem Besitzer. Ab 1818 wurden keine neuen Nutzungsrechte mehr vergeben. So blieb es bei 354 Allmendeberechtigten bzw.

2. Der Teilungsvertrag

Nach dem 1. Weltkrieg wurde 1919 eine Bestimmung erlassen, nach der die Rechtler ihre Allmende zu Siedlungszwecken abtreten sollten. Natürlich wehrten sich die Bauern dagegen, da die Ösche nach wie vor als Kuhweide benötigt wurden. Die neue Gemeindeordnung von 1935 brachte die Übernahme der Ortschaftsbesitzungen in die neu gegründete politische Gemeinde Oberstdorf, d. h. aller Allmendebesitz wurde zum Eigentum der politischen Gemeinde. Es bestand darüber hinaus die akute Gefahr, daß durch die neue Gemeindeordnung auch der Begriff „nutzungsberechtigt” beseitigt werden könnte, wenn nicht der Nachweis erbracht wird, daß man Miteigentümer war.

Die Oberstdorfer Bauern wußten sich aber zu helfen und riefen im selben Jahr (1935) den „Rechtlerverband der Ortsgemeinde Oberstdorf e. V. in Oberstdorf’ ins Leben. Der Rechtlerverband legte Beschwerde gegen die dauernde Benutzung ihres Grund und Bodens ein und ließ archivalische Erhebungen vornehmen, durch die er beweisen konnte, daß die Rechtler nicht nur Nutzungsberechtigte waren, sondern auch (Mit-) Eigentümer des an die Gesamtgemeinde übergegangenen Ortsgemeindegrundbesitzes. So konnte bereits 1939 ein Widerspruch gegen die Eintragung des Marktes Oberstdorf als Eigentümer des mit Nutzungsrechten belasteten Bodens im Grundbuch erwirkt werden.

Erst im Jahre 1949 wurde eine endgültige Lösung der Zwistigkeiten zwischen Rechtlern und politischer Gemeinde gefunden. Man einigte sich auf eine Ablösung der Gemeinde- und Weiderechte der Ortschaft Oberstdorf durch Landabfindung. In diesem Vorschlag war vorgesehen, bestimmte Weidegründe und angrenzende Waldungen, Wiesen und Bergmähder sowie die Gaststätte Oytalhaus (eine Fläche von ca. 1.700 ha) den Rechtlern als gemeinschaftliches Privateigentum zuzugestehen.

Die Marktgemeinde Oberstdorf besaß nach Abschluß dieses Teilungsvertrages am 27. Oktober 1951 1.200 ha. Einer der engagiertesten Verfechter dieser Idee war Holzwart Anton Berktold (1900 - 1983).

Im wesentlichen gliedert sich der dem Verein überlassene und der der Marktgemeinde verbliebene Grundbesitz wie folgt:

a) Verein

Weiden (Alpen)900 ha
Bergwälder (durchwegs Schutzwald)350 ha
Felsen und Ödungen420 ha
Sonstiges30 ha
insgesamt:1.700 ha

b) Marktgemeinde

für Bauzwecke und gewerblich genutztes
Land (einschließlich Turbinenwerk, Säge-
werk, Wasserversorgungsanlagen, Kies-
gruben, Sportgelände, Wege und Anlagen
für den Fremdenverkehr, Friedhof usw.)
30 ha
Waldungen690 ha
Ödungen480 ha
insgesamt:1.200 ha

Oberstdorf, den 20. März 1948

An
Herrn Bürgermeister
der Marktgemeinde
Oberstdorf

Betreff: Ablösung der Gemeinde- und Weiderechte der Ortschaft Oberstdorf durch Landabfindung.

Die Ziele der landwirtschaftlichen Erzeugung und der heute viel erörteren Bodenreform erfordern, daß auch die Gemeinden hinsichtlich ihrer eigenen Grundstücke für eine bestmögliche wirschaftliche Nutzung sorgen.

Eine zweckmäßige Bewirtschaftung der Gemeindegründe, vor allem auch die Bewirtschaftungsart wurde aber bisher häufig dadurch sehr erschwert, oder gar verhindert, daß die gemeindeeigenen Flächen der früheren Ortschaften noch mit Nutzungsrechten einzelner Gemeindebürger belastet sind.
(Gemeindegliedervermögen nach S. 65 D.G.O.).

Das Bayer. Staatsministerium des Innern hat mit ME. v. 12. 11. 37 Nr. 3021 g 28 und ME. v. 13. 4. 49 Nr. 3021 g 10 bereits Wege für die bestmögliche wirtschaftliche Ausnutzung der landwirtschaftlich genutzten gemeindeeigenen Grundstücke aufgewiesen: hierbei sind insbesondere die rechtlichen Möglichkeiten zur Umgehung oder Beseitigung der Schwierigkeiten untersucht worden, die einer besseren Bewirtschaftung der mit Gemeindenutzungsrechten belasteten Gemeindegrundstücke entgegenstehen. In letztgenannter ME. heißt es in Absatz 1 unter anderem:

Eine entscheidende und nachhaltige Besserung der mit Nutzungsrechten belasteten gemeindlichen Grundstücke läßt sich regelmäßig nur dann erzielen, wenn diese Grundstücke unter Aufhebung der bisher bestehenden Nutzungsrechte und unter angemessener Berücksichtigung des Landbedarfes der Gemeinde selbst in das Eigentum der bisherigen Rechtler überführt werden. Nachdem nun in der Gemeinde Oberstdorf infolge der fortwährenden Wegnahme von mit Weiderechten belasteten Bodens seitens der früheren Gemeindeverwaltung eine erhebliche Verbesserung des Kulturzustandes und der Bewirtsdiaftungsart unmöglich wurde, so wäre eine Ablösung der Rechtler durch Überlassung der in nachfolgender Aufstellung benannten Weide-, Ödung- und Waldflächen als Weidegenossenschaft (Miteigentumsverhältnis) für die Förderung der Landwirtschaft eine für die Zukunft ungemein vorteilhafte Angelegenheit.

Der Gemeinde würden das Bebauungsgebiet im Faltenbach einschließlich des Sportplatzes und der Trettachanlagen, sowie beide Kiesgruben verbleiben, desgl. die Plan-Nr. 3.028 d, das Rauhenarain am Grat entlang (Waldung), ferner von Plan-Nr. 2.734 e die Fläche zwischen Fabrikkanal und Trettach und PI.-Nr. 2.734 f an der Trettach von der Dummelsmooserbrücke ab bis Rubingerbrücke; dann von Pl.-Nr. 2.833 a das bis jetzt verbaute Gebiet zum Hause Linkenheil. Die Flächenangaben sind nach erfolgter Messung zu berücksichtigen. Die bisher benutzten Viehtriebe durch die obengenannten der Gemeinde verbleibenden Flächen müssen ungehindert ausgeübt werden können. Für die Quellwasser am Schattenberg und die Rohrleitung müßte zu Gunsten der Gemeinde eine Grunddienstbarkeit eingeräumt werden.

Sämtliche Straßen- und Wegunterhaltungskosten sowie Uferverbauungen, etwaige Verpflichtungen zu Baukosten an öffentlichen Gebäuden oder Kirchen und Schulen, soweit die Rechtler durch Frondienst verpflichtet gewesen wären, gehen zu Lasten der Gemeinde. Ausgenommen hiervon ist die Oytalstraße und der Oybach und der Viehtrieb von der Zimmeroy nach Ringang und der Waldweg nach Hochleite, deren Unterhaltungskosten den bisherigen Rechtlern zufallen würden.

Das Säge- und Elektrizitätswerk „Obere Mühle“ und das Turbinenhäuschen am Kühberg und die Mühläcker verbleiben der Gemeinde.

Meines Erachtens wäre bei einer Ablösung der Rechtler durch Landabfindung für die Bewirtschaftung des den Rechtlern zukommenden sowie auch der Gemeinde verbleibenden Grund und Bodens eine bestmögliche Bewirtschaftung gewährleistet, da jeder Teil ungehindert seine Maßnahmen treffen kann.

Ich ersuche, vorstehende Aufstellung zugleich als Antrag zu betrachten und vorstehende Angelegenheit dem Gemeinderat sowie dem Rechtlerausschuß zur Stellungnahme zu unterbreiten.

gez. Anton Berktold

3. Auflösung des Rechtlerverbandes

Gründung: "Verein und Waldgenossenschaft der ehemaligen Rechtler der Ortsgemeinde Oberstdorf"

Mit der Unterzeichnung des Teilungsvertrages haben die Rechtler auf ihre Nutzungsberechtigungen verzichtet. So wurde ein neuer Satzungsentwurf für einen neuen Verein eingebracht. Mit einstimmigem Beschluß wurde der „Rechtlerverband der Ortsgemeinde Oberstdorf e. V. in Oberstdorf’ aufgelöst und mit sofortiger Wirkung durch den „Verein und Waldgenossenschaft der ehemaligen Rechtler der Ortsgemeinde Oberstdorf’ ersetzt.

Der satzungsmäßig festgelegte Zweck des Vereins ist „die Übernahme von Eigentum, Rechten und Pflichten, die dem Rechtlerverband nach dem am 27.10.1951 mit der Marktgemeinde Oberstdorf zur Ablösung der Gemeinde- und Weiderechte abgeschlossenen Teilungsplan zustehen und obliegen. Die Bewirtschaftung der übernommenen Grundstücke sowie die Verteilung der Weidenutzung auf die Vereinsmitglieder nach Maßgabe einer vom Vorstand und dem Mitgliederausschuß gemeinsam zu beschließenden Weideordnung. Für die Übernahme und Bewirtschaftung von Waldgrundstücken mußte nach der Bayerischen Gemeindeordnung die Waldgenossenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts gegründet werden.

Die Unterscheidung zwischen „Verein” und „Waldgenossenschaft” ist aber eher theoretisch, da die Mitglieder in beiden Institutionen dieselben sind. Die Zahl der Mitgliedschaftsrechte ist gegenüber 1818, als es noch 354 an der Zahl waren, auf 327 zurückgegangen. Der Grund dafür ist, daß Mitglieder in einzelnen Fällen ihre Mitgliedschaft sich durch Landabfindungen oder Barentschädigungen im Wert der früheren Gemeindenutzungsrechte ablösen ließen. Heute sind die 327 Mitgliedschaftsrechte auf 265 Einzelpersonen verteilt, d. h. einzelne haben zwei oder mehrere Mitgliedschaftsrechte. Dabei ist das Mitgliedschaftsrecht nicht länger an ein Anwesen gebunden, sondern es besitzt eine Person, die es nur vererben kann. „Sind mehrere Erben vorhanden, so sind diese verpflichtet, für die Wahrnehmung ihrer Vereinsrechte einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen. (...) Das Mitgliedschaftsrecht ist nicht teilbar.”

Der Verein hat eine Vorstandschaft, bestehend aus drei Männern, von denen zwei Landwirte sein müssen. Die Vorstandschaft ist Teil des fünfzehnköpfigen Vereinsausschusses, der über Angelegenheiten wie etwa die Bewirtschaftung der Weideböden, Aufnahme und Austritt aus dem Verein usw. zu entscheiden hat.

4. Die Aufgabenbereiche des Vereins und die damit verbundene Bedeutung des Vereins

1. Die Forstwirtschaft

Der Verein der ehemaligen Rechtler, oder genau genommen die Waldgenossenschaft, betreibt eine selbständige Forstwirtschaft in den eigenen Wäldern. Der Holzeinschlag wird im Rahmen des Forstwirtschaftsplanes vorgenommen. Überhaupt ist es erklärtes Ziel der Waldgenossenschaft, möglichst eng mit dem staatlichen Forstamt in Sonthofen zusammenzuarbeiten.

Um sich den wertvollen Holzbestand auch für die Zukunft zu erhalten, werden die Verjüngung, die (Wieder-) Aufforstung und die Pflege des Waldes nicht vernachlässigt. Dabei hat man den Waldkrankheiten den Kampf angesagt und besonders auf dem Gebiet der Bekämpfung der Borkenkäferplage ist der Verein in den vergangenen Jahren aktiv geworden. Beim Holzeinschlag wurde darauf Wert gelegt, nur soviel Holz zu schlagen, wie auch nachgewachsen ist. Dadurch wird der natürliche Kreislauf erhalten und die für den Oberstdorfer Talkessel und die Täler typische Bewaldung bleibt. In der Forstwirtschaft hat die Waldgenossenschaft ganzjährig einen Holzwart angestellt. Außerdem werden saisonweise Waldarbeiter beschäftigt.

Wie in der Allmende die Bauern in den Allmende-Wäldern ein Holznutzungsrecht hatten, so bekommt auch heute jedes Vereinsmitglied alljährlich einen ihm zustehenden Holzteil aus dem geschlagenen Holz. Er erhält je nach Wunsch entweder 1,5 Festmeter Rundholz oder 3 Ster Brennholz. Hat das Mitglied keinen Bedarf an Holz, so kann es sich für eine dem Holzwert entsprechende Summe Bargeld entscheiden.

2. Die Landwirtschaft

Der Verein der ehemaligen Rechtler ist kein landwirtschaftlicher Betrieb, vielmehr ist es seine Aufgabe, Grund und Boden der Landwirtschaft zur Bewirtschaftung zur Verfügung zu stellen. Dem einzelnen Landwirt wird dabei eine Jungvieh- oder Kuhweide bzw. eine Fläche zur Nutzung in der Mähwirtschaft zugeteilt. Diese Zuteilung war langfristig ausgelegt und so kam es, daß, bedingt durch die zeitliche Entwicklung, der eine Bauer einen größeren Nutzen aus der ihm zugeteilten Fläche ziehen konnte als der andere bzw. viele der Rechtler gar keine Landwirte mehr waren und so den Rechtlerboden nicht mehr beanspruchten.

Dies ist in gewisser Hinsicht eine Parallele zu der Situation um 1850, wo sich auch die Nichtviehbesitzer benachteiligt fühlten (vgl. Kapitel II. 1). So kam es 1975 zur Einführung des „Einheitsrechtlers”, wodurch eine größere Gerechtigkeit erzielt werden konnte. Jeder Landwirt, ob Mitglied des Rechtlerverbandes oder nicht, zahlt ein bestimmtes Weidegeld pro Stück Vieh, das er gemeinschaftlich mit der Gassenkuhherde auf den Rechtlerweiden austreiben läßt und eine Feldpacht, die sich danach richtet, wie groß die Erträge sind, die er aus dem ihm zugeteilten Stück Land zieht.

Das Weidegeld und die Feldpacht werden durch eine zentrale Verwaltung eingezogen. Diese Einnahmen abzüglich der entstandenen Unkosten, geteilt durch die Anzahl der Mitgliedschaftsrechtler, werden als sogenanntes Pachtentgelt an die Mitglieder des Rechtlervereins ausgezahlt. Da heute nur noch ca. 50 % der Rechtler Landwirte sind und damit nur noch die Hälfte aller Rechtler die Rechtlerweiden nutzen können, kann man bei dem Pachtentgelt von einem Ersatz für entgangenen Nutzen sprechen.

Der Landwirtschaft kommt auch heute noch eine große Bedeutung zu; denn sie kann als Garant für die Erhaltung der Kulturlandschaft und für die Bewahrung und Pflege der Erholungslandschaft angesehen werden. Da der Rechtlerverein, wie oben aufgezeigt, ganz erheblichen Einfluß auf die Landwirtschaft besitzt, kommt ihm hier eine Wahrer- und Bewahrerfunktion zu, auch als Kontrollorgan gegenüber der Gemeinde. Ebenfalls werden so alte Traditionen aufrechterhalten, wie z. B. der Gassenkuhaustrieb, was sich letztendlich auch fördernd auf den Fremdenverkehr auswirkt.

Landwirtschaft in Oberstdorf

Gemeindefläche insgesamt 23.013 ha
davon: Oberstdorf 16.273 ha
Ortsteile 6.740 ha
landwirtschaftliche Fläche8.470 ha
Waldfläche 5.637 ha
Alpen im Gemeindegebiet 40
davon: Oberstdorf 27
Ortsteile 13
Landwirte (Rindviehhalter) insgesamt 129
(ca. 80 hauptberuflich)
davon: Oberstdorf 73
Schöllang 36
Tiefenbach 20
Viehbestand (Rindvieh) insgesamt 2.494
davon: Oberstdorf 1.028
Schöllang 1.063
Tiefenbach 403
Viehbestand (Milchkühe) insgesamt 1.113
davon: Oberstdorf 534
Schöllang 449
Tiefenbach 130
Gassenkuhherde
oberer Marktca. 80
unterer Marktca. 50
Pferde insgesamt 33
davon: Oberstdorf 21
Tiefenbach 12
Schafe insgesamt240
davon: Oberstdorf 83
Schöllang2
Tiefenbach155

Oberstdorf, Juni 1985
Ru.

3. Gewerbliche Verpachtungen

Da der Verein viele Aufgaben zu erfüllen hat, große Projekte in Angriff genommen hat (Denkmalschutz in Gerstruben; vgl. Kapitel V) und große Objekte aufgekauft hat (Probstbesitz; vgl. Kapitel VI), entstehen Ausgaben, die gedeckt werden müssen. So beziehen die Rechtler Pachteinnahmen aus zwei Wirtschaften, dem Oytalhaus und der Gaststätte Gerstruben. Außerdem wird das Sägewerk Obere Mühle betrieben. Dort werden sowohl das eigene Holz, die Holzteile für die Mitglieder, gesägt, als auch Aufträge von außen (sog. Lohnschnitt) angenommen. Des weiteren hat der Verein einige Grundstücke verpachtet, so z. B. den Campingplatz, den Grund auf dem das Altersheim steht, den Auslaufbereich der Skiflugschanze und den oberen Bereich im Schattenberg-Skistadion.

Außerdem unterhält der Verein einige Galtviehalpen. Ca. 5 km Straße ins Oytal stellen die Rechtler kostenlos zur Verfügung. Nachdem die Stromleitung ins Oytal immer wieder durch Lawinen umgerissen wurde, haben die Rechtler die Leitung unterirdisch verlegen lassen. Nennenswert ist auch, daß viele Kilometer Loipen über den Rechtler-Grund gehen, ohne daß daraus Einnahmen bezogen werden. Überhaupt fördert der Verein eine sinnvolle Sport- und Fremdenverkehrsentwicklung in Oberstdorf. So hat er z. B. nicht nur seine eigenen Wiesen für Loipen der Nordischen Skiweltmeisterschaften 1987 zur Verfügung gestellt, sondern auch eine Vermittlerrolle bei den Gesprächen zwischen dem Organisationskomitee der Weltmeisterschaften und anderen Grundstücksbesitzern gespielt. Auch stehen die meisten der für die WM errichteten Langlaufbrücken auf dem Grund der Rechtler.

5. Gerstruben, der Ankauf des Heyl’schen Grundbesitzes und der Denkmalschutz

Ab Mitte des 15. Jahrhunderts besiedelten Walser Familien das hochgelegene (1.155 m) und enge Gebirgstal Gerstruben. So ist die Bauart der Häuser eine typische Walserkonstruktion: Es handelt sich um die sogenannten Zwiehöfe, d. h. Wohnhaus und Stall sind getrennt. Noch vor rund 150 Jahren bestand Gerstruben aus einigen Dutzend Häusern. Im Jahre 1846 wurde am Dietersbach sogar eine Sägemühle errichtet, um den langen und steilen Weg nach Oberstdorf zur Verarbeitung des so wichtigen Nutzholzes zu sparen.

Dabei hatten die Gerstruber stets mit der harten Natur zu kämpfen; denn immer wieder gab es Lawinen, die ihre Häuser beschädigten oder gar wegrissen. Hinzu kam, daß der karge Boden und die kurze Vegetationszeit kaum etwas gedeihen ließen, außer der Gerste - und damit wäre auch die Herkunft des Namens „Gerstruben” geklärt. So nimmt es nicht wunder, daß immer mehr Gerstruber nach Oberstdorf abwanderten und die bis 1892 noch übriggebliebenen Bewohner des Gebirgsdorfes ihre acht bestehenden Anwesen mit allem dazugehörenden Grund verkauften und sich ebenfalls im Tal ansiedelten. Erwerber Gerstrubens war eine dreiköpfige Kemptener Kommanditgesellschaft, die eine Anlage zur elektrischen Stromerzeugung am Dietersbach im Hölltobel errichten wollte.

Nachdem sich aber dieses Projekt nicht durchführen ließ, weil die Gemeinde ihre Zustimmung verweigerte und für einen der drei Gesellschafter die finanzielle Belastung zu groß wurde, stand das Gebiet erneut zum Verkauf. 1896 erwarb es der Freiherr von Heyl zu Herrnsheim (bei Worms). Über dieses 500 ha große Areal in Gerstruben hinaus konnte er noch beträchtlichen Alpbesitz von Oberstdorfer Bauern erwerben, so daß er um 1920 ein Eigenjagdrevier von ca. 600 ha besaß. Die Erbin des riesigen Heylschen Besitzes, seine Frau Anneli, verkaufte 1953, nach dem Tode ihres Mannes, den ganzen in Oberstdorf liegenden Grundbesitz an den damals neugegründeten Verein der ehemaligen Rechtler.

Obwohl der Kauf für jedes Mitglied eine beträchtliche finanzielle Belastung darstellte, konnte doch die geforderte Summe von 700.000 DM aufgebracht werden. Beim Entschluß zum Kauf dieses Gebietes standen hauptsächlich ideelle Gesichtspunkte im Vordergrund. Man wollte der Gefahr Vorbeugen, daß eine andere Gesellschaft das Kraftwerksprojekt verwirklicht und so das schöne Tal verbaut wird und einem Stausee zum Opfer fällt. Es spielte auch hier der Gedanke der Landschaftserhaltung und des Umweltschutzes (bereits 1953!) eine Rolle.

Dies hat Adolf Thannheimer in folgenden Worten ausgedrückt: „Hiermit wurde gleich der erste Beweis erbracht, daß bei Einmütigkeit und gegenseitigem Verständnis auch an Probleme herangegangen werden kann, deren Lösung zur Erhaltung unserer schönen Heimat und damit der ganzen Gemeinde dient.”

Der Rechtlerverein hat keine Opfer gescheut, um die bestehenden Gebäude und die beiden Alpen - Gerstruber Alp und Dietersbacher Alp - wiederherzustellen und zu erhalten. Allein die Erhaltung der steinbeschwerten Landerndächer (= holzbedeckte Dächer) ist sehr kostspielig. Sie müssen alle fünf bis sechs Jahre umgeschlagen und erneuert werden. „Wir haben Idealismus genug, daß wir nicht nach wirtschaftlicher Ausbeutung streben, sondern darauf achten, daß die Landschaft geschont und die noch bestehenden Häuser als Denkmale erhalten werden”, versicherte der Vereinsvorsitzende Franz Brutscher.

Die unter Denkmalschutz stehenden Häuser Nr. 2,4,6,7 sowie die Sägemühle wurden in dem Zeitraum von 1974 bis 1982 durch die finanzielle Unterstützung des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, des Bezirkstages, des Landratsamtes Oberallgäu, der Marktgemeinde Oberstdorf und durch Eigenmittel des Vereins der ehemaligen Rechtler instandgesetzt. Darunter konnte auch das Haus Nr. 6, die dreihundert Jahre alte Sennküche, vom Fundament bis zum Landerndach, wieder originalgetreu hergestellt werden. Ebenso wurde die 1846 erbaute Sägemühle, die über hundert Jahre lang ihren wichtigen Dienst tat, mit Hilfe öffentlicher Zuschüsse und mit Eigenmitteln der Rechtler von „Mächlar” Franz Rietzler aus Dietersberg wieder aufgebaut werden.

Das wiederhergestellte Bergdörflein stellt ein Schmuckstück dar, das in unserem Raum einmalig ist, dessen sich die Gemeinde und die Kurverwaltung wohl bewußt sind. Um dem prächtigen Dörflein einen sicheren Schutz vor den in der Vergangenheit immer wieder niedergehenden Lawinen zu bieten, wurde in Zusammenarbeit zwischen Rechtlern, Gemeinde und Wasserwirtschaftsamt Kempten eine Lawinensicherung gebaut.

Rechtler - Heft 10

6. Schlußbemerkung

Als sich dem Verein 1953 die Möglichkeit bot, den riesigen Heyl’schen Besitz zu kaufen, war der Entschluß zum Kauf nicht unumstritten; denn nach dem Krieg und für Jahre nach der Währungsreform wurde Geld zu vielen anderen Investitionen benötigt. Erst im Laufe der Zeit und rückblickend gesehen, wurde es deutlich, welch kluger Entschluß der Kauf war. Nur so ist es bis heute den Rechtlern gelungen, einen wesentlichen Bestandteil Oberstdorfs, nämlich die Täler, vor fremden eigennützigen Interessen zu schützen.

Als dem Rechtlerverein 1984 angeboten wurde, den Probstbesitz am Freibergsee zu kaufen, mag die Erinnerung an den Kauf des Heylschen Grundbesitzes wieder geweckt worden sein. Dabei hat diesesmal nicht der Rechtlerverein allein den 32,5 ha großen Grund gekauft, sondern die Marktgemeinde Oberstdorf war ebenfalls am Kauf beteiligt. Die Marktgemeinde erhielt den an den Freibergsee angrenzenden Ufergrund des Probstbesitzes, westlich der Badeanstalt bis zur Chow-Chow-Hütte, einschließlich einem Gebäude, insgesamt eine Fläche von ca. 12,5 ha. Der Rechtlerverein bekam die restlichen 20 ha, die sich fast bis zur Ziegelbachhütte hinunter erstrecken, alles überwiegend Waldgrundstücke. So wurde der Wunsch der Erbengemeinschaft erfüllt, daß dieser, besonders an den Ufern des Freibergsees, so reizvolle Grundbesitz nicht parzelliert und zerstückelt wird, sondern als Ganzes den Besitzer wechselt.

Noch einmal erwähnt werden sollte, daß der gemeinschaftliche Alp- und Weidebesitz den ortsansässigen Bauern durch den Rechtlerverein zur Verfügung gestellt wird. Dies hat sowohl landwirtschaftlichen Nutzen als auch landwirtschaftliche Vorteile. Durch den geregelten Weide- und Alpbetrieb ist eine gesunde Erhaltung der Kulturlandschaft gesichert. Wie in Kapitel Vaufgezeigt, bemüht sich der Verein auch um die Renovierung alter Bauten und Bauernhäuser. So gibt der Rechtlerverein den Beweis dafür, daß zur Erhaltung der Landschaft und der Heimat nicht unbedingt staatliche Bevormundung durch Vorschriften notwendig ist, sondern daß vieles aus einer ideellen Eigeninitiative heraus geschehen kann. Dadurch ist der Rechtlerverein zu einer Institution geworden, die heute gar nicht mehr aus dem Oberstdorfer Leben wegzudenken wäre und durch deren Einsatz Oberstdorf auch in Zukunft ein liebens- und lebenswerter Flecken Erde für Einheimische wie auch für Kurgäste bleiben wird.

Kontakt

Verschönerungsverein Oberstdorf e.V.
1. Vorsitzender
Peter Titzler
Brunnackerweg 5
87561 Oberstdorf
DEUTSCHLAND
Tel. +49 8322 6759

Der Verein

Unser gemeinnütziger Verein unterstützt und fördert den Erhalt und Pflege von Landschaft, Umwelt, Geschichte, Mundart und Brauchtum in Oberstdorf. Mehr

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Seit Februar 1982 werden die Hefte der Reihe "Unser Oberstdorf" zweimal im Jahr vom Verschönerungsverein Oberstdorf herausgegeben und brachten seit dem ersten Erscheinen einen wirklichen Schub für die Heimatforschung. Mehr

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