Ein Ausschnitt aus der Ortskarte von „Oberstdorf und Umgebung" aus dem hier besprochenen Modlmayr Reiseführer (5. Auflage, Oberstdorf 1900).
Verfasser des ersten Oberstdorfer Reiseführers
Der Verfasser setzte im I. Teil seines Artikels die folgenden Abschnitte: Zunehmender Fremdenverkehr im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts - Reisehandbücher zur Information notwendig - Vorläufer des Modlmayr-Reiseführers - Biographisches zu Hans Modlmayr.
Modlmayrs Oberstdorfer Reiseführer
Das Büchlein ist im Klein-Oktavformat gehalten und umfaßt 139 Seiten Text. Die zusätzlichen 41 Seiten mit Geschäftsanzeigen aus ganz Deutschland hätte man bei einem Exemplar aus dem Jahre 1900 kaum erwartet. Der vollständige Titel lautet: „Woerl’s Reisehandbücher. Oberstdorf und Umgebung. Führer im Allgäu, bearbeitet von Dr. Hans Modlmayr. Fünfte umgearbeitete Auflage. Mit Karten und Panoramen. Leipzig. Woerl’s Reisebücherverlag. Kaiserl. und Königl. Hofverlagshandlung.” Und auf der vorderen Umschlagseite unten ist noch zu lesen: „Xaver Volderauer. Buch-, Papier- und Galanteriewarenhandlung. Oberstdorf, neben der Kirche. Preis 1 Mark.”
In der »Vorrede« zur fünften Auflage nennte Modlmayr zunächst die Umstände, die dazu führten, diesen Führer von Oberstdorf und Umgebung zu verfassen. Dieses Büchlein habe er für einen ganz bestimmten Typ eines Hochtouristen geschrieben, heißt es. In dem Aufsatz „Bergsport und Alpinismus” in den Alpenvereinsmitteilungen vom Jahre 1893 habe er diesen Idealtypus zu zeichnen versucht. Dieser erfahre in seinem Führer „nicht viel Aufregendes, aber genug Anregendes”. - Wie in allen Vorreden, so legt Modlmayr auch hier Wert darauf, daß er die beschriebenen Ausflüge und Bergbesteigungen durch „Autopsie”, durch eigenen Augenschein kennengelernt hat.
Unter den Förderern der bisherigen Auflagen, denen er zu danken hat, führt er u.a. an: den königl. Archivrat Ludwig Baumann (1846 - 1915), „für seine historischen Anregungen und Berichtigungen”, den kgl. Bez.-Tierarzt Josef Brutscher aus Sonthofen (gest. 1900), „einen der tüchtigsten Kenner seiner heimatlichen Berge”, den Arzt Dr. Max Madlener (1868 — 1951) aus Kempten für „verschiedene wertvolle touristische Notizen”.
Modlmayr will auch den Leser auf einen Führer aufmerksam machen, der ebenfalls im Woerlschen Verlag erschienen ist: nämlich - Hindelang - von Dr. Karl Reiser (geb. 1853 in Oberstdorf, gest. 1922 in Kempten), dem „bewährten Sagenforscher und Hersteller einer geologischen Karte des Allgäus”.
Im ersten Abschnitt, betitelt »Topographisches«, beschäftigt sich der Verfasser in einer knappen Übersicht mit den Begrenzungen und der Einteilung der Allgäuer Alpen, ihrem geologischen Aufbau, den hydrographischen Verhältnissen und den wirtschaftlichen Umständen. Hans Modlmayr gibt nie vor, alles in eigener wissenschaftlicher Arbeit erforscht zu haben. Er nennt immer seine Bezugsquellen. So selbstverständlich ist das bestimmt nicht, wie sich an verschiedenen Beispielen der sog. Heimatliteratur in der Vergangenheit und in unserer Zeit leicht aufzeigen ließe.
Der Verfasser weist im Zusammenhang mit diesem Abschnitt auf die entsprechenden Bücher des kgl. Bezirksgeometers Anton Waltenberger (1840 - 1902), des kgl. Gymnasiallehrers und Allgäuer Heimatforschers Max Förderreuther (1857 - 1933) und des Oberstdorfer Arztes Dr. Joseph Groß (1818 - 1865) hin.
Im folgenden Abschnitt - Geschichtliches - geht es Modlmayr im Überblick um die Urbevölkerung im Allgäu, die Besiedlung durch die Kelten, die Landnahme durch die Alemannen, die Christianisierung und die Zeit des Mittelalters.
Der Verfasser weist im nächsten Teil - Allgemeine Fingerzeige - einmal daraufhin, daß einige Sektionen des deutschen und österreichischen Alpenvereins „eifrig bemüht” sind, "„dieses wunderbare Gebirgsland zu erschließen, für die „Touristenwelt”, wie er interessanterweise schreibt, zum anderen empfiehlt er als Reisezeit die Monate Mai (Anfang) bis Oktober (Mitte). Von einer Wintersaison ist keine Rede.
An Routen, wie das Allgäu zu erreichen ist, werden nicht nur die Eisenbahnstrecken genannt. Und was die „zweckmäßige Ausrüstung für längere Wanderungen in den Bergen angeht , verweist der Autor auf die dem Führer ganz vorn beigegebene - Merktafel für die Reise -. Diese Tafeln, eine für Herren, eine für Damen, hat der Herausgeber der Woerlschen Reisebücher natürlich jedem seiner Führer vorangestellt. Sie wenden sich an das „grosse Reisepublikum”. Wir finden dort sehr nützliche und notwendige Dinge, aber auch solche, die uns heute recht eigenartig anmuten. So sollten die Herren auch folgende Gegenstände nicht vergessen: flüssigen Leim, Ordensauszeichnungen, Empfehlungsschreiben, Revolver, Unfallversicherungspolice, Visitenkarten, Insektenpulver, Citronensäure. Bei der „Merktafel für Damen fallen u.a. diese „eventuell für die Reise in Frage kommenden Utensilien” auf: Beinkleider, Blumenpresse, Brausepulver, Manschetten, Fächer, Haarkräuselschere, Hutnadeln, Morgenhäubchen, Muff, Negligejacke, Stiefeletten, Riechmittel. Es klingt glaubhaft, wenn der Leipziger Herausgeber schreibt, daß eine solche Auflistung „wohl weitgehenden Ansprüchen genügen dürfte”.
Wie persönlich damals ein Reiseführer abgefaßt war, zeigen auch die Ausführungen über - Proviant und Getränke -.
Am Ende dieses Teils nennt Modlmayr ein „dem Bergsteiger fast unentbehrliches Büchlein . Er meint den alljährlich erscheinenden Kalender des Alpenvereins, der „ausführliche Angaben über die Alpenvereine, die alpine Litteratur, die Schutzhütten und Unterkunftshäuser, besonders aber ein vollständiges Bergführerverzeichnis” enthält.
Im Abschnitt - Eintritt ins Allgäu - beschreibt der Verfasser zunächst Kempten, die „Hauptstadt des Allgäus”, seine Sehenswürdigkeiten und Aussichtspunkte, besonders die Burghalde („nicht zu unterlassen”) und den Marienberg („unbedingt zu besuchen ). Er nennt eine Anzahl „Partien" in die nähere Umgebung. Hier sieht man natürlich sofort, daß die genaue Ortskenntnis von einem längeren Aufenthalt herkommt. Modlmayr war vor seiner Versetzung nach Würzburg von 1883 - 1886 Gymnasiallehrer in Kempten. Der Verfasser beschreibt dann noch kurz das „reizende Immenstadt , führt hier die wichtigsten Bergtouren an, gibt ein paar Hinweise zu dem „hübschen Marktflecken Sonthofen”, ehe er zum eigentlichen Thema seines Büchleins kommt, dem Markt Oberstdorf, dem „bequemsten Standquartier für den Besuch des Allgäus”.
Die Fertigstellung der Eisenbahnverbindung nach - Oberstdorf - im Sommer 1888 muß zwölf Jahre danach immer noch ein bemerkenswertes Ereignis gewesen sein; denn Modlmayr führt die „Vicinalbahn” in unser Dorf (von Sonthofen 14 km, 39 Min. Fahrzeit) mehrmals an und hebt die „elegant ausgestatteten Wagen” der 2. Klasse hervor.
Er nennt Oberstdorf den „besuchtesten Kurort des Allgäus und ein beliebtes Ziel der Touristen”. Als Grund gibt er vor allem die „Gruppierung der Bergzüge”, aber auch das Klima an. Der Winter sei meist sehr mild. Dem kann man so nicht zustimmen. Die Wetterbeobachtungen lassen gegen Ende des letzten Jahrhunderts sehr deutlich eine kalte Phase erkennen. Am 19. Januar 1891 wurde von Pfarrer Alois Heinle eine Temperatur von - 31.1° gemessen. Das ist der zweitkälteste Tag in hundert Jahren.
Einen Mediziner unserer Zeit, natürlich auch den „entsprechenden” Patienten, könnte interessieren, mit welcher Begründung Ärzte um die Jahrhundertwende den Kurort Oberstdorf empfohlen haben. Modlmayr schreibt: „Insbesondere aber dürfte sich sein günstiger Einfluss bei chronischem Katarrh, Tuberkulose im ersten Stadium bei zurückgebliebenen pleuristischen Exsudaten, Verfettung des Herzens, Neurasthenie, Chlorose, Anschoppungen der Leber und excessiver Fettbildung äussern. Hauptsächlich möchte Oberstdorf als Nachkur für Kissingen, Karlsbad und Marienbad, sowie als Station vor und nach dem Aufenthalte in Davos zu empfehlen sein.” Diese Aufzählung geht schon weit über das hinaus, was der Oberstdorfer Arzt Dr. Joseph Groß in seinem Buch aus dem Jahre 1856 anführt.
Interessant sind auch die folgenden Ausführungen des Verfassers. Die stark persönliche Note fällt hier besonders auf. „Wie sehr sich auch Oberstdorf ... gegen eine Reihe von Krankheiten und Leiden eignet, so macht es gottlob noch lange nicht den für manche beengenden, herzzusammenschnürenden Eindruck eines eigentlichen Kurorts, sondern es scheint nach wie vor dieser herrliche Fleck Erde ein Standquartier erster Klasse für gesunde, untemehmungsfreudige Touristen und eine behagliche Sommerfrische für jene Naturfreunde bleiben zu wollen, welche ihre im Laufe des Jahres angegriffenen Nerven in der unvergleichlichen Gebirgsluft wieder stärken wollen.”
Und den Charakter der Oberstdorfer beschreibt Modlmayr mit folgenden Worten: „Die Einwohner ... verleugnen keineswegs deutsche Gemütlichkeit und Biederkeit. Wie alle Alpenbewohner lieben sie ihre schöne Heimat über alles, begegnen aber dem Fremden freundlich und zuvorkommend.” - Der Verfasser zitiert in diesem Zusammenhang Karl Reiser, der die individualisierende Wirkung der Gebirgslandschaft auf die Bewohner betont.
In dem kurzen Überblick - Geschichtliches -, den Modlmayr mit Hilfe der Bücher von Pfarrer Stützle und Franz Ludwig Baumann erstellt hat, hebt er unter den historischen Ereignissen in unserem Dorf besonders den Dreißigjährigen Krieg und den Großen Brand von 1865 hervor, der nach seiner Ansicht den Ort „am einschneidendsten veränderte”. Er führt in diesem Abriß auch den schändlichen Prozeß gegen Oberstdorfer „Hexen” aus den Jahren 1586/87 an. Das versteht sich nicht von selbst. Bei Baumann ergibt das Ereignis gerade eine Zeile in dem 727 Seiten umfassenden 3. Band, und das „Hexenbüchlein” des Karl Hofmann (1899 - 1985) ist erst 1931 erschienen.
Es fällt auch auf, daß Modlmayr selbst den Ausdruck „Hexenepidemie” gebraucht, was den Vorgang genau trifft; denn um eine psychische Seuche hat es sich bei den brutalen Hexenverfolgungen gehandelt.
Der Leser des Reiseführers ist inzwischen den persönlichen Ton des Autors gewohnt. Und doch ist man über die Prädikate, die Modlmayr im Abschnitt - Aufenthalt verteilt, etwas erstaunt. Nicht alle acht Gasthöfe, die er aufzählt, aber die Mehrzahl beurteilt er wie folgt: „Sehr gelobt - sehr gutes Gasthaus - mässige Preise - sehr besucht - billige Preise.” Ähnlich verhält es sich bei den drei Pensionen, dem einzigen Cafe am Ort und den Badeanstalten.
Er lobt die „gute Kirchenmusik” in der katholischen Pfarrkirche - „unter der Direktion des Oberlehrers Lochbrunner”, wie er an anderer Stelle schreibt, und weist darauf hin, daß ein protestantischer Gottesdienst „mehrmals während der Saison im Rathaussaale” stattfindet.
Modlmayr führt dann die zwei bzw. drei (wenn man das Geschäft des Claudius Vogler dazuzählt) Buchhandlungen an und nennt die sieben Läden, die Touristenausstattung und Bergschuhe anbieten.
Bei den acht Bergführern, „welchen der Alpenvereinskalender sehr lobende Prädikate zuteilt”, und den drei Führeraspiranten gibt der Verfasser nicht nur Straße und Hausnummer an, sondern schreibt auch das Geburtsjahr hin. Sollte das Alter wirklich eine Rolle gespielt haben?
Am Ende dieses Abschnitts erfährt der Leser dieses Reiseführers etwas über Privatwohnungen, „die freistehenden sind auf einer Tafel am Rathaus angeschlagen, die Mietordnung für Oberstdorf, die „an einem leicht sichtbaren Ort in jedem Mietshaus angebracht sein soll”, die Art und Weise des Bezahlens, und - man höre und staune - er erhält die Auskunft, daß „Streitigkeiten aus Anlass der Mietverhältnisse beim Bürgermeister (Rathaus, I. Stock, Eingang Südseite!) anzubringen sind, welcher einen gütlichen Vergleiche zu versuchen ... hat”. Beneiden brauchte man das Gemeindeoberhaupt - um 1900 war es Ludwig Vogler - sicher nicht.
Der Abschnitt - Unterhaltung - ist kurz gehalten. Modlmayr weist auf die Konzerte im Hotel Luitpold hin und führt den Schützenverein, kath. Gesellenverein, Turnverein und Veteranenverein an. Inwieweit Fremde an deren Veranstaltungen teilnehmen konnten, bleibt freilich offen.
Im Teilstück - Verkehrswesen - will der Verfasser - nichtbayerische Besucher - von Oberstdorf speciell aufmerksam machen, „dass alle von hier abgehenden Schriftstücke mit bayerischen Marken zu versehen sind, widrigenfalls Strafporto vom Empfänger bezahlt werden muss”. Wer’s nicht glaubte, der konnte das auch - sozusagen amtlich - im Post- und Telegraphenamt, das sich zu jener Zeit im Bahnhofsgebäude befand, erfahren. Heutzutage ist verschiedentlich eine schiefe Vorstellung von der inneren Struktur des ehemaligen deutschen Kaiserreiches (1871 - 1918) anzutreffen. Es war nicht zentralistisch, sondern ein Bundesstaat, ein Bund der souveränen deutschen Fürsten. Nach der Reichsverfassung von 1871 nahm Bayern eine besondere Stellung ein, es erhielt sog. Reservatrechte, und zu diesen gehörte auch eine eigene Eisenbahn- und Postverwaltung.
Den Schluß dieses Abschnitts müssen wir heute - damals wohl nicht - schon zweimal lesen: „Briefe werden täglich 5 mal, pakete 3 mal zugestellt.” In den nächsten Auflagen wird diese Angabe wiederholt. Es kann sich also nicht um Druckfehler handeln.
Die Methode dem Leser eines Reiseführers einen fremden Ort vorzustellen, indem man ihn durch die einzelnen Teile dieses Ortes führt, ist nicht neu. Auch Modlmayr wendet sie in dem Abschnitt - Rundgang - an. Er zählt einige Gebäude auf: an der Westseite des Marktplatzes das Rathaus und die Ortsschule, das Kriegerdenkmal (1870/71) vor dem Haus der Buchhandlung Volderauer („ein gewaltiger aus Erz gegossener ruhender Löwe, mit der Tatze das bayerische Wappen haltend, von Erzgiesser Ferd. von Miller”), das Innere der Pfarrkirche, den Friedhof neben der Kirche, die Seelenkapelle, den Pfarrhof mit der meteorologischen Station, die Jagdvilla des Prinzregenten Luitpold, das Schraudolphhaus, die Nikolauskapelle, immer wieder kommt der Verfasser dabei auf die verheerenden Auswirkungen der Brandkatastrophe von 1865 zu sprechen. Er nennt einige Werke von Johann und Claudius Schraudolph und von Joseph Anton Fischer.
Im folgenden Fuhrwerks-Tarif lesen wir: „Abholen vom Bahnhof, zweispännig 3 Mk; einspännig 2 Mk.” Die Fahrten der Lohnkutscher führten nicht nur in die Täler, sondern auch nach Riezlern, Immenstadt und Hindelang.
Im nächsten Abschnitt - Umgebung von Oberstdorf -, beginnt Modlmayr das Kapitel der Spaziergänge, Ausflüge und Bergtouren, das natürlicherweise den größten Teil seines Reiseführers einnimmt. Einleitend gibt es für ihn „keinen Zweifel” daß Oberstdorf die Orte Berchtesgaden und Partenkirchen „weit übertrifft hinsichtlich der Mannigfaltigkeit der Partien, von den mühelosesten Spaziergängen angefangen bis zu den kühnsten Hochtouren, daß es somit als Standquartier par excellence dasteht. Oberstdorf verdanke diesen" Reichtum an Ausflügen seiner einzig dastehenden Talentwicklung.
Modlmayr beginnt mit der nächsten Umgebung von Oberstdorf, z.B. „Kienberg auch Kuhberg genannt”, und läßt dann „konzentrisch fortschreitend” die Täler und Seitentäler (Einödsbach "die Perle des Allgäus"), die Bergtouren und schließlich die Ausflüge in die weitere Umgebung folgen. Aufschlußreich - im Zusammenhang mit der Entwicklung des Alpinismus - ist seine Einteilung der Berggipfel nach dem Grad der Schwierigkeit: „sehr leicht - leicht - leicht für Geübte - massig schwierig - schwierig - sehr schwierig. ” Die Skala reicht von Grünten und Stuiben einerseits bis zu Höfats und Trettachspitze andererseits.
Den Begriff Umgebung im Titel seines Reiseführers legt Modlmayr weit aus. Er will am Schluß dieses Kapitels seine Leser anregen, weitere Ausflüge in große Teile des Allgäus zu unternehmen. Wir lesen von Touren nach Hindelang, Reutte, Füssen, Nesselwang; nach Lechleiten, Schoppernau, Hittisau, Balderschwang. Natürlich verweilt der Verfasser in diesen Ortschaften nicht allzu lang, obwohl er immer wieder ein "billiges Gasthaus”, eine „gutgeführte Wirtschaft” und einen „billigen Aufenthalt" anführt. Er unterbreitet den Lesern ein riesiges Angebot an Vorschlägen zu Wanderungen.
Im - Anhang 1 - ist ein tabellarisch übersichtlicher - Tourentarif - beigefügt. Er teilt bei den einzelnen Touren unter in „Entfernung ohne Rückw., Std.”; „Gestattete Zeit hin u. zurück, Tag, Std.”; „Entlohnung, M.” Insgesamt sind es 57 „Bergtouren und Übergänge” und 11 „Ausflüge”.
Der Anhang II, mit dem Titel - Botanisches -, soll den Leser bekannt machen mit den „wichtigsten Pflanzen und den seltensten Moosen” auf den Allgäuer Bergen, nach dem Motto: Wo findet man was? Modlmayr verdankt dieses interessante Verzeichnis zwei Memminger Botanikern.
Zusätze und Berichtigungen zum Sattlerschen Mädelegabelpanorama fand der Leser im - Anhang II -. Die zwei Blätter waren 1882 der Zeitschrift des Alpenvereins beigegeben. Modlmayr bietet in diesem Anhang die notwendige Korrektur.
Anhang IV, schließlich befaßt sich mit den - Hochalpinen Spaziergängen - im Gebiet des Hauptzuges der Allgäuer Alpen. Auf elf Seiten führt der Verfasser von einer Hütte zur anderen.
Jede gute Arbeit sollte mit einem Register abschließen. Der Modlmayr-Reiseführer tut das. Der Leser gewinnt eine Übersicht von - Aggenstein - bis - Zwölferhorn.
Dem Reiseführer sind fünf Karten beigegeben. Hinter dem vorderen Umschlagblatt finden wir eine Karte von Oberstdorf und Umgebung. Sie gibt eine Zustandsbeschreibung der Bebauung in unserem Dorf um die letzte Jahrhundertwende. Die beigefügte - Erklärung zum Plan - hält die öffentlichen Gebäude, die Gastwirtschaften und Hotels, das Schraudolph-Haus und das Fischer-Haus fest. Wir finden die Zollstation, Turnhalle und Feuerwehrhaus an der Neubaustraße (heute Nebelhornstraße), die Mechanische Weberei-Fabrik, das Elektrizitätswerk und das Kranken- und Armenhaus.
Als nächstes ist eine Panorama-Karte, von Oberstdorf aus gesehen, beigefügt. Sie reicht vom Entschenkopf bis zum Söllerkopf. Die Häuser im Vordergrund haben alle noch die typischen Landerndächer. - Ein zweites Panorama gibt einen Rundblick vom Nebelhorn: vom Daumen zum Widderstein. Insgesamt 134 Gipfel führt der Verfasser an. Eine weitere Karte (1:100.000) zeigt - Oberstdorf und Illerquellgebiet. Südwestallgäu -, also vor allem das Rappenalpental, das Walsertal und das Rohrmoosertal. Schließlich bietet eine fünfte Karte (Maßstab 1:100.000) Hochvogelgebiet und Hornbachkette. Südostallgäu.
Am Schluß dieser Besprechung - von heute aus gesehen - wollen wir noch einmal zurückblicken und ein paar allgemeine Gedanken festhalten.
Der Modlmayr-Reiseführer gibt, wie die Reiseführer von Adolf Thürlings (1844 - 1915) und Andreas Hofmann (1874 - 1953) auch, neben seinem besonderen Anliegen, der Beschreibung von Wanderungen und Bergtouren, eine Darstellung unseres Dorfes mit seinen wesentlichen Charakterzügen. Er liefert eine Zustandsbeschreibung: bestimmte Gegebenheiten aus einer bestimmten Zeit sind festgehalten. Er stellt (in der hier besprochenen 5. Auflage) die Verhältnisse und Umstände in Oberstdorf (und Umgebung) um 1900 dar. Damit ist er, mit gewissen Einschränkungen natürlich, in Teilen eine Geschichtsquelle, eine Sekundärquelle. Der heimatgeschichtlich interessierte Bürger findet hier manche Angaben, die er sich sonst mühsam aus anderen Quellen zusammensuchen müßte. Die Genauigkeit, mit der Modlmayr gearbeitet hat, genauso seine innere Beziehung zu unserem Dorf, sind hierbei natürlich die Voraussetzungen.
Dieser Reiseführer war aber auch in gewissem Maße eine Werbeschrift für Oberstdorf und die Umgebung. Natürlich wurde dem Leser eine möglichst objektive, sachliche Darstellung geboten. Darüber hinaus sollten Kurgäste und Touristen davon überzeugt werden, daß sie die richtige Urlaubswahl getroffen haben. Modlmayr schildert ihnen Oberstdorf - nicht in den hellsten Farben, wohl aber stellt er seine Vorzüge geschickt und auch für den kritischen Leser glaubhaft dar. Auf diese Weise konnten auch neue Gäste für Oberstdorf und das obere Allgäu gewonnen werden. Der Verfasser wollte ganz bewußt werbend auftreten. Mit Recht kann er ein Herold des Alpinismus genannt werden.
Karl Hofmann drückt das im 4. Band der „Geschichte des Marktes Oberstdorf” so aus: „Ein Mann, dessen Bemühen außer dem Bergsteigen dahin ging, das Allgäu breiteren Volksschichten bekannt zu machen, war auch Dr. Hans Modlmayr ...”. Und der Verfasser der „Geschichte der Stadt Füssen” bemerkt hierzu: „Schon aber wurde die Sache des Alpinismus durch Bergbegeisterte breit in Zeitungen und Zeitschriften propagiert, u.a. von Dr. Hans Modlmayr”.
Etwas erstaunlich ist es schon, mit welcher Selbstverständlichkeit der Verfasser Fachausdrücke, z.B. aus den Bereichen Geologie, Botanik, Medizin, die ihre sprachlichen Wurzeln in der lateinischen bzw. griechischen Sprache haben, aber auch französische und lateinische Redewendungen niederschreibt, ohne sie auch nur grob ins Deutsche zu übertragen. Kein Verfasser oder Verleger von Reiseführern, die sich ja bekanntlich an ein breites Publikum wenden, könnte sich das heutzutage erlauben. Natürlich wollten vor 90 Jahren auch Leo Woerl und Hans Modlmayr ihre Büchlein an den Mann und an die Frau bringen. Es muß also damals die Käuferschicht, das Leserpublikum teilweise anders gewesen sein, das betrifft sowohl den sozialen Status als auch (damals damit verbunden) das Bildungsniveau. Die sog. Fremdenlisten des „Allgäuer Anzeigeblatts” und der Hofmannschen Buchdruckerei (in Zusammenarbeit mit dem Verschönerungsverein) bestätigen direkt oder indirekt diese Annahme.
Ein Reiseführer wie der bei Woerl in Leipzig verlegte und von Modlmayr verfaßte, mußte natürlich ständig auf dem laufenden sein, d.h. jede Auflage mußte den neuesten Stand wiedergeben, sonst glaubt man ihm nicht, und das wirkt sich für ein Buch, das informieren will, bestimmt schlecht aus. Außerdem sind Nachprüfungen und Ergänzungen notwendig. Und von Würzburg aus war das für Modlmayr nur bedingt zu schaffen. In einer späteren Auflage nennt er seine Gewährsleute in den lokalen Dingen von Oberstdorf, also jene Personen, die ihm zuverlässig Nachrichten übermittelt haben. Es sammelten für ihn und unterrichteten ihn ständig der Buchhändler Xaver Volderauer (1858 - 1942) und der akad. Maler und Chronist Franz Alois Schratt (1868 - 1963). Seit dem Tod von Hans Modlmayr im Jahre 1925 führte sein ältester Sohn Ludwig den Oberstdorfer Reiseführer fort. Es darf sicher angenommen werden, daß Volderauer und Schratt auch weiterhin die örtlichen Geschehnisse aufzeichneten und übermittelten.
Die persönliche Note, die Modlmayr in seinem Reiseführer bringt, fällt immer wieder auf. Er handelt den Stoff nicht ab, er schreibt nicht distanziert für einen anonymen Kreis von Touristen. Da der reine Nützlichkeitsstandpunkt nicht vorherrscht, fühlt sich der Leser selbst angesprochen. Das dürfte ein wichtiger Grund für den Verkaufserfolg gewesen sein, dafür, daß dieser Reiseführer bis zum Jahre 1938 siebzehn Auflagen erleben konnte.
Der Oberstdorfer Reiseführer des Dr. Hans Modlmayr war für die Leser seinerzeit sicher ein nützliches Buch, es war aber auch ein sympathisches Buch. Und dem können sich wohl alle diejenigen anschließen, die heute dieses Büchlein aus geschichtlichem oder heimatkundlichem Interesse in die Hand nehmen.
Fortsetzung folgt