Der heute im Oberstdorfer Heimatmuseum ausgestellte „Spezial-Schuh” des Bums.
Aber im Unterboden des Bockschlittens, wo eine schwere Plane darüber lag, sollte nicht jeder reinschauen, das Wildbret wollte dunkel. So soll es einmal vorgekommen sein, daß der Kronenwirt bei Keßlarssteigele (heute Seraphinesteigele) von einem Jagdaufseher angehalten worden sei und gefragt wurde, was er denn wolle. Da ging der Viehhändler gleich zur Gegenfrage über, ob er vielleicht wisse, wo er ein Stück Vieh kaufen könne oder wo eine Kuh feil sei. Darauf meinte der Jagdaufseher verschmitzt: „Dohin ischd nuiz feil, des weiß e gwiß, abr Wendelines im Gschlief hed a Küeh, do kaschd froge, dea vrköüft gean.” Der Walser, noch verstellter als der andere, fragte zurück: „Ja, wo find i dän?” Darauf kam der Tip: „Do ferschd iezd uf deam Weag üsse und kurz voar dr Flucht uf dr reachde Sidde isch Wendelines dohuim, dea isch güed finde.” Mit einem Schmunzeln fuhr der Kronenwirt weiter und war heilfroh, daß der andere nicht unter die Plane geschaut hatte, da lag nämlich eine „Mutti” (Hirschkuh) samt dem Kalb.
Der Walser fuhr in einem leichten Trab talwärts, und der Jäger ging über den Gundsoysteg und lachte vor sich hin, daß er dem Viehhändler so einen gehörigen Bären aufgebunden hatte. Der Walser, im Gschlief angekommen, das er seit Jahren schon kannte, hielt sein Rößle an, ging zur Wendelinskapelle rüber, fuhr mit der Hand über die geschnitzte Kuh und bedankte sich beim hl. Wendelin, daß er so glimpflich davongekommen sei. Auch schloß er den Jagdaufseher in sein Gebet mit ein, daß er auch weiterhin so nett und naiv bleiben möge.
Die Jagdhoheit von Oberstdorf wurde seit der Säkularisation jährlich an einen Jagdpächter vergeben, denn seit dieser Zeit war die Jagdhoheit an die Grundeigentümer übertragen worden. Doch Pächter werden konnte nur der, der vom Landgericht eine abgestempelte Jagdkarte besaß.
Es kam das Jahr 1848. Überall waren Aufstände und Unruhen, die sog. Märzvereine rebellierten, und da gingen die Oberstdorfer wieder einmal ihren eigenen Weg, und sie kündigten den Jagdpachtvertrag und verpachteten die Oberstdorfer Gemeindejagden um 60 fl. an einheimische Interessenten, die nicht unbedingt eine Jagdkarte im Besitz hatten. Es waren dies: Fidel Huber, Bonifazius Schratt, Thaddäus Blattner vom Kühberg, Franz Schafhittel, Ignaz Metzeler, Anton Dösinger und Wilhelm Blattner. Dazu ein Auszug aus der »Geschichte des Marktes Oberstdorf«, Bd. 4, S. 255, worin wir lesen: „Nachdem die Jagdbezirke auch in den angrenzenden Gebieten durch ihre Rechte ausübenden Bauern leergeschossen waren, wurde im Jahre 1854 die , Allgäuer Jagdgesellschaft gegründet. Dieser gehörten Graf (...), Fürst (...), Baron (...) usw. an.”
Die Oberstdorfer hatten nicht so lange gewartet, man vergab bereits 1851 die Gemeindejagden an den Prinzen Luitpold von Bayern für 300 fl. (Prinzregent wurde er erst 1886). Dieser ordnete strenge Schonmaßnahmen an, und verschiedentlich wurde auch neues Wild, vor allem Hirsche, ausgesetzt. Dazu setzte er ziemlich scharfe Jagdaufseher ein.
Diese drei Jahre der Jagdhoheit von 1848 bis 1851 hatten die einheimischen Pächter weidlich ausgenutzt und die Gemeindejagd leergemacht, zur Freude der Bauern und zum Schaden der Nachpächter.
Der Bums ging wieder seiner gewohnten Tätigkeit nach, doch der Jagdtrieb war geblieben, und so trieb er seine Wildereien wie eh und je in den umliegenden Tälern, ja auch jenseits der Grenzen. Die Jagdaufseher wußten von seinem Treiben, belauerten ihn, konnten ihn aber nie auf frischer Tat erwischen. Waren sie ihm auf der Spur im Rappenalptal, dann war er bestimmt in einem anderen Tal, oder es fiel ein Schuß auf der gegenüberliegenden Bergseite, und bis man drunten war und drüben rauf kam, war dieser längst weiß Gott wo. Einigemale wurde sein Haus durchsucht, doch ohne Erfolg.
Doch wo lag das Geheimnis seiner Heimlichkeit?
Von seinem Haus weg ging eine Viehweide bis an den Viehtrieb an der Stillach, und da hinüber hatte er einen Schräghag mit starken Haglandern, und, wie sich mancher schon gewundert hatte, jeder Hagstecken war ein starker Pfahl, ja übertrieben dick, und auf die neugierige Frage eines Nachbarn, warum er so „narred Pfähl do ning schlage dei”, meinte er nur: „Des müeß so sing, ih brüch des, ih weiß sis mid ming Kraft nina hi, drum höu e gean so Klobe ning und zum ondre hone i ming Holzmärkle kui godzegs gschlachds Schdängele (schlanke Stangen).”
Seine Bergschuhe, die hinten und vorne mit Griffeisen beschlagen waren, irritierten manchen Spurenleser. Der Bums beherrschte sein Gewicht, ob mit oder ohne Last, daß der Griffeindruck im Schnee oder auch im Erdboden keinen Aufschluß zuließ, ob der Träger talaus oder talein gelaufen sei. Auch die Spurensuche bei seinem Haus verlief jedesmal ergebnislos, da er im und ums Haus seine Holzschuhe trug und in der schneefreien Zeit sowieso barfuß ging. Auch die Griffschuhe fand man nicht im Haus, die er bekanntermaßen bei seinen Berggängen immer anhatte.
Hinter sein Geheimnis kam man erst nach vielen Jahren. Eines Tages war er wieder mit dem Drüdes unterwegs, und wie gewöhnlich hatte man auf dem Rückweg noch etwas erwischt. Da stiegen die beiden bei der Möslebrücke ins Stillachwasser, gingen den Bach hinaus bis zur Viehweide des Bums, und dort lief der Bums auf den dicken Pfählen des Schräghages zu seinem Heimatle hinüber. Dort bemerkte er, daß der Drüdes nicht nachkam, da ging er zurück, packte ihn huckepack, stieg wieder auf den Hag und trug ihn bis zum Haus. Doch es war bereits heller Tag, vor dem Haus wartete der Balthus Vogler, der ihn zu einer Arbeit holen wollte; da hat ein Unbefugter dies listige Vorgehen zum ersten Mal gesehen. Doch Balthus Vogler hielt dicht, wie alle Tälerer zusammenhalfen, nur seiner Tochter Katharina hat er von diesem Erlebnis erzählt, die es dann nach dem Tod von Bums oftmals so weitererzählt hat. (Vogler war auf Haus Nr. 327, heute Högerle.)
Joachim Hindelang, der Drüdeslar, wurde kränklich und verstarb 1877. Doch der Bums machte weiter mit seinem gewohnten Leben, und mit seinen Tricks hat er manchen Jagdaufseher zum Schwitzen gebracht.
Das Wildern war ja bei den Tälerern und Bergbauern keine anrüchige Tätigkeit, es gehörte nicht nur zur Romantik der Berg welt, sondern man war der allgemeinen Auffassung, daß das Wild allen gehöre und nicht nur einigen Privilegierten. Und im Frühjahr war das Wild in zu großen Mengen auf ihren Feldern, und gerade dem Herbst zu fraß es die kargen Ohmahden der Tälerer völlig zusammen.
„Petre Fronz” (Käufler) vom Gundbach wußte vom Bums, daß er einmal von den Jagdaufsehern mit der Spektive beobachtet wurde, als er in der Buchraineralp, droben in der Schlipfhalde, einen Hirsch geschossen hatte. Die beiden Jagdaufseher Schafhittel und Josef Ochsenreiter waren am „Habom” auf dem Gratweg zum Linkerskopf auf eine Gemse aus. Da hörten sie am gegenüberliegenden Berg einen Schuß, und als sie das ganze Gebiet mit den Spektiven abglasten, da entdeckten sie auch den Schützen und glaubten, daß es der kräftigen Figur nach nur der Bums sein kann: „Desmol kud a id üs!”
Die beiden Jagdaufseher strebten so schnell wie möglich zu Tal, um auf der anderen Seite am Buchraine den Übeltäter abzufangen. Einer suchte von der Schlipfhalde über Holzboden bis zur Buchrainer „Brunscht” alles ab, und der andere war gleich auf den Viehweg am Buchrainer Stieg, suchte nach Spuren im Wegedreck und um die Hirschlachen, fand auch die Spuren vom Bums, aber wohin die Abdrücke zeigten, das blieb unklar. Dann stieg er schnellstens ab und wollte ihn gegebenenfalls an seinem Haus erwarten, doch es kam niemand. Der andere Jäger kam hinzu, und so beschlossen sie, die Hauserin zu befragen. Als sie an das Schopftörle klopften, kam die Alte mit mürrischem Gesicht und fragte: „Was wendr, ih brüch nuiz und ,ea‘ ischd id do.” Auf die Frage, wo er denn sei, da sagte sie saugrob: „Desch mir gli, wird schu i dr Gerschdrube bum Holze sing.” Dabei zog sie das Schopftörle schnell zu. Da beschlossen die beiden das „Gieddle” zu überwachen, einmal mußte er ja kommen. Zwei Tage und Nächte beobachteten sie abwechselnd das Gieddle vom Bums, und am zweiten Abend kam tatsächlich der Bums, gemütlich, fast im Schlendergang, einen „Aschdbiggl” (Holzeraxt) unterm Arm, vom Jockar herauf, also aus Richtung Oberstdorf. Er setzte sich aufs Hausbänkle und schrie seiner Hauserin: „Bring br an Hafe vool Moschd, ih ho a Durschd.”
Ochsenreiter ging zu ihm hin und wollte wissen, wo er denn gewesen sei, er habe doch vorgestern einen Hirsch gewildert im Buchraine. Da tat er ganz verwundert und meinte: „Was ih, ih ho doch gar kuin Schduze (Gewehr) und mid em Biggl kane doch kuin vrschlage. Worum, mangledr amend a so an Kooge?” Als aber der Jäger nachbohrte, da sagte er schon ein wenig zornig: „Laß br doch ming Rüeh, du Hearreschmeckar, as hod is de ledschde Däg amend ghüred gnüe, bis br die olde Rohna (dürre Tannen) vu Lüegenalp dünd ghedd hend im Oytal.” Das war für den Jäger noch keine befriedigende Antwort, und er sagte: „Wir haben dich zu zweit gesehen, du kannst das nicht wegstreiten, wir haben gesehen, wie du einen Hirsch aus der Schlipfhalde gezogen hast. Wir beide haben dich genau beobachtet.” Da überkam ihn sein Witz, und er fragte voller Spott: „Ja, worum hoschbr des id dom am Büeruine gseid, do hedde sicherle mid uib zwi gean a Pfiefe greichd. Ja, und an Huigarde mid so Jagdüfseachar hone allad schu gean mige. Mi hed des eabar gfroid. Abr ’s näschdmol riefschbr voarhea, no hockebr a Wiehle zämed.” So ließ er mit seiner Ironie die beiden abblitzen.
Erst viele Jahre später, als er nicht mehr so konnte, gab er die Geschichte preis: Er, der Bums, hatte die beiden Jäger schon seit Anbruch des Tages beobachtet und wußte genau, wo sie hingingen. Er selbst schlich in der Deckung des Waldes vom Holzboden bis unter die Schlipfhalde, und von da aus konnte er genau sehen, wie sie über Petersälpele zum „Habom” hinaufgingen. Und erst als sie auf dem Gratwegele waren, zog er gemächlich nach oben. Die beiden hatte er mit seiner Spektive immer wieder aus dem Schatten heraus beobachtet, damit ja keine Spiegelung oder ein Blitzen der Spektive gesehen werden konnte. Er wußte auch, daß die beiden ein paar Gemsen schießen wollten. Dann zog er den „Rinner” nach oben, setzte sich oberhalb einer Buche auf die Wurzeln und wartete; er richtete es sich so ein, daß er liegend, mit dem Abschrauber auf dem Rucksack, freie Schußbahn in die Schlipfhalde hatte. Er wußte ja zu genau um das Verhalten des Wildes, und es konnte nicht mehr lange dauern, bis dieses sich von der Morgenäsung in den lichten Wald zurückzog. Der Wind stand für ihn sehr günstig, und nach kurzer Zeit kamen ein paar Schmaltiere, dahinter ein guter Zwölfer. Den wollte er gar nicht, er war auf keine Trophäe aus, er wollte einen leichten Brethirsch für einen Walser. Und der Hirsch kam, verhoffte kurz und zog, langsam äsend, den anderen nach. Sogar beim Erzählen gab es ihm einen Ruck, als er sagte: „Kurz aglüeged und schu hoddes gschnelld.”
Leider fiel der Hirsch nicht sofort, wie er es wollte, sondern er machte noch zwei, drei Sätze zurück in die Halde und blieb dort oberhalb eines Steines liegen. Da lag er in der freien Sicht mitten im Gehren, aber es half nichts, den mußte er sofort herausholen. Den Abschrauber im Rucksack verstaut, und schon sprang er in die Halde hinein, zog den Achter an einem Lauf und dem Geweih quer über die Halde in den schützenden Wald.
Daß die beiden Jäger am oberen „Habom” den Schuß hörten, war klar, und daß diese so schnell wie möglich herunterrannten, wußte er auch, die mußten ihn auch mit der Spektive gesehen haben. Von dort trug er den Hirsch noch ein Stück den Wald hinauf, nahm ihn aus, verscharrte den Aufbruch unter einem Stein und deckte alles noch mit weiteren Steinen ab. Den Schädel mit dem Geweih hängte er in eine dichte Jungtanne, legte noch mehr Äste darüber, so daß man ihn nicht sehen konnte und der Fuchs nicht ran kam.
Dann steckte er dem Hirsch Farngras in den offenen Pansen, nahm einen Sack, wickelte ihn um den blutenden Korpus und warf ihn über den Buckel. Das ging alles sehr schnell, und dann stieg er mit seiner Last über den oberen Holzbodenwald auf einem Wildwechsel zum Roßhöfle in Richtung Guggersee. Bis die beiden Jäger im Tal waren, war er bereits auf dem Weg zum Roßgund hinauf, und da wurde das Gelände vom Talboden her nicht mehr eingesehen.
Vom Roßgund gings zum Kühgund und über die Kühgundscharte zum Fiderepaß und dann ins Walsertal hinab. Von der vorderen Wildenalp bis zur Fluchtalp sah er keinen Menschen, aber dort zwischen Wiesalp und Bödmen machte er eine längere Pause, denn es war doch zu hell, und er wollte die Dunkelheit abwarten. Als es dunkel war, ging er über die Breitach und quer durch die Felder von unten her zum Kronenwirt.
Daselbst wurde er bereits erwartet, denn man hatte ja am anderen Tag eine Hochzeitsgesellschaft. Alles war geregelt, dann legte er sich im Schopf auf eine Pritsche und schlief einige Stunden. Im Morgengrauen war er schon an der Walserschanz vorbei in Richtung Oberstdorf gelaufen. Er wußte, daß sein Freund, der Blattner Thaddä vom Kühberg, beim Holzen auf der Lugenalp war, und dorthin zog es ihn. Bis zur Brotzeit war er bei den Holzern und half diesen fast zwei Tage beim Fällen der „Rohnen”, uralter Hoftannen, die man schon lange wegen der Wipfeldürre umsägen wollte. Beim schwersten Teil, beim „Riesen” (Holzbringung) bis ins Oytal, war er der richtige Mann. Mit seiner Kraft konnte er mit einem Bengel jeden Baum umdrehen und ins richtige „Ries” bringen.
Der Thaddä war zu dieser Zeit bereits beim Prinzen als Jäger angestellt, und der Bums wußte, daß ihn so ein Freund niemals verraten würde. Schon kräftemäßig waren sie sich gleich, der Blattner und der Bums, und auch ihr gemeinsamer Freund, der Leo Dorn, der leider nach Hindelang verzogen war. Das waren zu jener Zeit die markantesten Figuren in der Jagdszene um Oberstdorf.
Das größte Geheimnis um den Dösinger Bums hat er selber nie ausgeplaudert, dies kam eigentlich erst beim Abbruch seines Gieddles in Birgsau zutage: Und das war sein so sicheres Versteck im Haus. Man hatte ja bei mehr als einem Dutzend Hausdurchsuchungen nichts bei ihm gefunden, weder im Stall oder Schopf noch im Kellerloch oder „Sohlar”, es war wie verhext, beim Bums gab’s anscheinend kein Versteck.
Seine alte Hauserin war längst gestorben, sein Nachbar Drüdes, der das Versteck auch kannte, war auch nicht mehr, und sonst war, seit der Bums nicht mehr so konnte, schon fast Gras über seine ehemalige Tätigkeit gewachsen. Die alten Jagdaufseher gab’s auch nicht mehr, und so kam mehr die Vergessenheit über alles. Doch davon später.
Ohne Angehörige und kränklich konnte er sich kaum mehr selbst ernähren, und so kam er die letzten Jahre seines Lebens ins Spital, in das 1901 erbaute Armen-, Kranken- und Pfründnerhaus in der Fabrikstraße (heute Trettachstraße), wo er am 12. Jänner 1905 im Alter von 76 Jahren verstarb.
Seine Spitalskollegen erfuhren so manche wilde Geschichte des Wildeier Bums, doch von seinem geheimnisvollen Versteck hat er nie gesprochen.
Doch eine Geschichte sei berichtet, die er oft noch erzählte, auch den Bekannten, die ihn im Spital noch besuchten und diese Weitergaben, wie „Petre Fronz” oder „Lonzars Hans”. Diese hat ihn anscheinend immer beeindruckt oder sogar belastet, denn er brachte sie nicht aus seinem „Grind” heraus. Das war die Geschichte vom Wilderer Bäschle von Oberstdorf, die er erzählte, als würde er dann erleichtert sein, wie nach einer Belastung. Diese Geschichte konnte er auch pointenreich und gestikulierend erzählen, und so wußte er zu berichten: Er, der Bums, habe den Bäschles Sefanton noch gekannt, und von dem habe er diese Geschichte noch aus eigenem Munde erfahren.
Da habe sich folgendes zugetragen: Der Bäschle war ein ganz gewiefter Wilderer gewesen und hatte sich vor nichts gefürchtet, und der habe mit einem Schlag das Wildern aufgehört nach einer merkwürdigen Begegnung. Bäschle kam vom Ringatsgund, wo er zu seinem Jungvieh schaute und dann nebenbei einen feisten Gemsbock geschossen habe, den er dann in der Abenddämmerung über den Steig vom Schrofensatz hinuntertrug. Es war Spätsommer, und der Tag ging schon in
den Herbst über, da begegnete ihm mitten im höchsten Steig ein grün und salopp gekleideter Jäger. Den hatte er noch nie gesehen, mußte wohl ein neuer sein. Ausweichen konnte er nicht mehr, doch er überlegte, ob er den Bock über die Wände hinunterwerfen und selbst das Weite suchen sollte, aber es war an der Stelle fast nicht möglich.
Der „Neue” sagte kein Wort, schaute den Bäschle durchdringend von oben bis unten an und dann, mit auffallend schwarzen Augen, direkt in die Augen, daß es ihm ganz unheimlich wurde. So standen sich die zwei einige Minuten gegenüber, und dann ging der fremde Jäger wortlos an ihm vorbei, schaute ihn aber rundum noch an und ging dann den Steig weiter zur Schrofenalp hinauf. Bäschle stand noch wie angewurzelt und schaute diesem nach, dann kamen ihm die „Hennebrupfa” über den ganzen Buckel rauf, denn er sah, daß der gar keine Schuhe anhatte, sondern zwei schwarzbehaarte Bocksfüße schauten unter der Hose raus. Dann ging er so schnell er konnte zu Tal, und auf dem ganzen Steig bis zur Kiesgrube sah er überall die Abdrücke von Bocksfüßen, als ob ein schwerer Hirsch den Steig hinaufgelaufen wäre. Zu Hause habe er kein Wort gesagt, auch sonst niemandem davon erzählt, aber alle seien verwundert gewesen, warum das Bäschle so wortkarg wurde und nie mehr zum Wildern gegangen sei. Nur seinem Cousin, dem „Dundl”, habe er von dieser Sache erzählt, und der hat sie ihm, dem Bums, auch so bestätigt. Dundl betonte auch, daß man dies niemals dem Pfarrer erzählen dürfe, der würde ihn nur auslachen und ihn bloßstellen vor allen Leuten, oder gar als verlogenen „Hexar” abtun. Der früher so lebensfrohe und draufgängerische Bäschles Sefanton sei im folgenden Lenz von einer alten Rohne (dürre Tanne) erschlagen worden.
Doch wieder zurück zum Bums. Sein „Gieddle” in der Birgsau wurde zugunsten der Gemeinde versteigert und kurz darauf abgebrochen und nicht wiedererstellt.
Doch beim Abbruch staunten die Beteiligten nicht schlecht, denn es kam das nie gefundene Versteck des Bums ans Tageslicht.
Das Haus hatte eine doppelte Trennwand zwischen Wohnteil und dem Schopf. Es war bisher niemandem aufgefallen, daß die Tür von der Gangküche zum Schopf einen tiefen Stock hatte. Man mußte ja annehmen, daß auf der einen Seite die Gadeswand so weit vorging und auf der anderen Seite die Wirkkammer ebenfalls so tief war. Dieser Türstock war auch voll behängen mit altem Häs und Glump, daß man davon nichts anderes erahnen konnte. Nach dieser Schopftür war nach Norden ein Bretterverschlag mit dem üblichen Plumpsklo, ein gehobeltes Sitzbrett mit rundem Loch und einem Holzdeckel, darunter nur ein tiefes Holzschaff als „Lachekaschde”.
Auch in diesem Verschlag hing alles voll mit Häs und Glump, und kein Mensch sah das kleine Wandtürle, das in den Zwischenraum führte. Es war alles reichlich mit dreckigem Stallhäs und „Stroibeblacha” behängen. Dahinter kam dann ein eineinhalb Meter breiter gangartiger Raum, der oben mit der 10 cm starken „Bohnesdecke” abgeschlossen war. Die Außenwand war aus durchgehendem Holz, wie das Wohnhaus in „gestrickter” Blockbauweise, und von oben herab überdeckte ein halbfauler Bretterschirm die Außenwand. Es ergab sich hier ein 5 Meter langer Raum, der mit Holzzapfen und Asthaken versehen war. Hier konnte man allerhand aufhängen und verstauen. Die Wände zeigten uralte Blutspuren und Wildhaare, auch einige Schnitzer und ein Stachel steckte noch in der Wand. An der Wand unten am Boden war eine tiefe Grube, die nach außen reichte und dort mit einem alten Holzdeckel verschlossen war, daß es aussah, als ob es der Deckel vom „Lachekaschde” wäre. Tatsächlich konnte man darunter im Winter das Bret frosten lassen.
Auf so einen Zwischenraum wäre niemand gekommen, und wer dies so erstellt hat, läßt sich kaum mehr ergründen. Man kann lediglich vermuten, daß hier zuerst ein Stall gestanden hat mit einer Tenne und der Wohnteil später hinzugebaut wurde, denn es war bekannt, daß dieses Wohnhaus in der Gundsoy abgebrochen und hier wieder aufgestellt worden war. Hier hatte man die Innenwände etwas gekürzt, die Außenwände in der Länge belassen. Warum auch immer, der Bums wußte es zu nutzen.
So kam erst nach dem Abbruch des halbverfallenen Hauses des Bums das bestgehütete Geheimnis zutage, und alle, die es am meisten interessiert hätte, haben diese Entdeckung nicht mehr erlebt.
In der Erinnerung der Oberstdorfer wird manches noch wachgehalten von der Legende des Wildererkönigs Bums von der Birgsau. Nicht nur in der kleinen Chronik von Birgsau wird seiner erinnert, auch im Oberstdorfer Heimatmuseum ist der Bums verewigt. Zur Eröffnung des Museums im Jahre 1932 schrieb Karl Dietmann im »Oberstdorfer Gemeinde- und Fremdenblatt« eine Laudatio mit folgenden Sätzen:
„In diesem Raum (obere Stube) ist auch der Oberstdorfer Wildererkönig Bums verewigt, samt seinem Abschrauberstutzen, seinen Steigeisen und den berühmt gewordenen Griffschuhen, seiner Spektive und dem Pulverbeutel. Respekt vor dem Bums: denn was der alte Bums schießen wollte, das traf er, bums! Es soll aber Jäger geben, bitte Pseudo, die nur das schießen, was sie treffen - und durch diese segensreiche Tätigkeit den Bestand an Wild ständig vermehren helfen. Ob weitere Jagdflinten, Pulverhorn, Kugelzangen und Knicker aus dem Nachlaß des Bums stammen, konnte nicht mehr in Erfahrung gebracht werden.”
Der vorletzte Satz ist heute, seit es keine Hofjagden mehr gibt, nicht mehr gerechtfertigt. Früher war es jedoch oftmals üblich, daß der Berufsjäger oder Jagdgastführer durch abgemachten Parallelschuß den (meist blaublütigen) Hofjagdgästen eine Trophäe ermöglichte.
In Oberstdorf wurde zu Zeiten des Prinzregenten Luitpold erzählt, daß der Bums und der Prinzregent die Jagd gemeinsam betrieben haben. Der Regent setzte die Hirsche ein und fütterte sie, und der Bums schoß sie ab.
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Quellennachweis: Oberstdorfer Gemeinde- und Fremdenblatt
Geschichte des Marktes Oberstdorf: Erzählungen von Johann Köcheler (Lonzars Hans)
Daten aus Kirchenbüchern: Erzählungen von Franz Käufler (Petre Fronz, Gundsbach)
Kleine Birgsauer Chronik Lageplan: Kleine Birgsauer Chronik
Anmerkung:
Verschiedene Daten sind wegen der schlecht lesbaren Schrift nicht genau zu identifizieren und deshalb mit einem Fragezeichen (?) freigelassen worden.
Dösinger Joachim wohnte im unteren Markt bei „Abbelonan”, Haus Nr. 290. Die Familie zog im Jahre 1835 nach Birgsau, wo er das Gütle 332 erwarb (heute „bum Jockar”). Joachim verstarb am 11. 8. 1838 mit 69 Jahren an einem Schlagfluß. Anton verkaufte, wie schon erwähnt, das Haus und erwarb das Haus Nr. 332 1/2, 80 Meter weiter südwestlich vom alten Haus. Dieses Haus war erst um 1821 im Gundsbach abgebrochen und hier wieder erstellt worden von Jakob Hindelang, mit Hausnamen „Drüdeslar”.
Das Haus Nr. 332 1/2 wurde später erneut abgebrochen und in der Gundsoy wieder erstellt.