Niederschläge am 21. Mai 1999
Quelle: Wasserwirtschaftsamt Kempten
Vatertagshochwasser
Ergiebige Regenfälle (lt. Wetterstation Oberstdorf 140 l pro qm) sowie die Schneeschmelze in den Bergen bringen Oberstdorf am 12. Mai 1999 die erste dramatische Hochwassersituation. Die Böden sind vollgesaugt wie ein Schwamm und nehmen kein Wasser mehr auf. Der Grundwasserspiegel steigt ständig an. Die Stillach tritt in Höhe Westumgehung/Walserbrücke an mehreren Stellen über die Ufer, kann aber durch Barrieren von Sandsäcken und Kieswällen in ihrem Bett gehalten werden.
Viele der Anwesen an der Walserbrücke, der Stillachstraße und Weststraße haben mit dem Grund- und Oberflächenwasser zu kämpfen. Vollgelaufene Keller sind das Ergebnis. Nach dem Dauerregen geht das Wasser schnell wieder zurück. Fast vier Tage dauert es, bis die letzten Keller einigermaßen trocken sind.
Pfingsthochwasser
In der Nacht vom 21. auf den 22. Mai 1999 treffen im südlichen Oberallgäu zwei seltene Ereignisse zusammen, die im gesamten Illertal zu einer riesigen Hochwasserkatastrophe führen und das Vatertagshochwasser in den Schatten stellen. Im Ostrachtal fallen bis zu 240 l Niederschlag pro qm. Dies führt in der Ostrach zu einer Flut, die das Wasserwirtschaftsamt als „500jähriges” Hochwasser bezeichnet. Gleichzeitig lösen auch bei uns in Oberstdorf ergiebige Regenfälle zusammen mit der Schneeschmelze in den Hochlagen ein „200jähriges” Hochwasser aus.
Bereits am Donnerstag abend beginnt es stark zu regnen, bis Freitag abend meldet die Wetterstation Oberstdorf den Rekordwert von 100 Litern Wasser pro qm, in unseren Bergen dürfte noch wesentlich mehr Regen gefallen sein.
Für die Feuerwehr Oberstdorf beginnt am Freitag abend ein unvergleichlicher Dauereinsatz, der bis zum Pfingstmontag anhält.
Situation an der Stillach am westlichen Ortsrand
Von den Fluten der Stillach sind als erstes die Anwesen an der Walserbrücke und der Stillachstraße betroffen. Innerhalb kürzester Zeit laufen alle Keller voll. Die Westumgehung und die Walserbrücke werden für den Verkehr gesperrt. Die Ostseite des Stillachdammes wird mit Massen von Sandsäcken erhöht und gesichert. Der künstliche Damm hält den Wassermassen jedoch nicht lange stand, von der Stillach und der Walserstraße bis zum westlichen Ortsrand (Höhe Max Maier) bildet sich eine riesige Seenlandschaft. Die einzelnen Häuser in der Weststraße 53 - 57 sind von den Wassermassen eingeschlossen.
Der Zugang ist nur noch mit großen Unimogs bzw. Booten möglich. Bewohner, die anfangs noch erfolgreich mit Tauchpumpen gegen das eindringende Wasser gekämpft haben, müssen sich spätestens nach dem totalen Stromausfall in der Nacht und am darauffolgenden Tag geschlagen geben.
Situation an der Trettach
Die Wassermassen der Trettach strömen in bis dahin nicht gekanntem Ausmaß. Bereits in Höhe E-Werk drohen die ersten Unterspülungen und Uferabbrüche, größere Schäden können im letzten Moment verhindert werden. Ab dem Bannholz bis in die Rubinger Straße tritt der Fluß an mehreren Stellen über die Ufer. Die von der Feuerwehr errichteten Sandbarrieren halten den Wassermassen hier jedoch stand; vollaufende Keller sind hier nicht zu verzeichnen. Erst später zeigt sich ein Schaden größeren Ausmaßes: Das reißende Wasser der Trettach unterspülte in Höhe des Bauhofes die Hermann-von- Barth-Straße und zerstörte große Teile der Wehranlage.
Situation in den Tälern
Von den gewaltigen Wassermassen der Stillach wird die Fahrstraße im Bereich Birgsau unterspült und weggerissen. Einen großen Stadel samt Inhalt (Auto und Pistenwalze) reißen die Fluten mit. Auch die erst zum Jahresende 1998 vollendete Kanalisation wird erheblich beschädigt. Unterhalb der Schwand-Steige brechen am Samstag innerhalb kürzester Zeit die gesamte Fahrbahn und der danebenliegende Parkplatz der Skiflugschanze weg.
Wo kurz vorher noch Autos parkten, klafft ein riesiges Loch. Zwei Bagger sind ständig im Einsatz, um die Zimmeroybrücke von Holz freizuräumen und einen Einsturz zu verhindern. Im letzten Moment können die Fundamente der bereits unterspülten Loipenbrücke gesichert werden. Vom Renksteg flußabwärts tritt die Stillach an mehreren Stellen über die Ufer. Mit vereinten Kräften von Feuerwehr, Bauhof und Gemeindehölzern kann das Abfließen in den vorderen Ösch verhindert werden. Vom Oybach total zerstört wird der Hohenadl-Weg. Ab Gruben kann man nur noch ahnen, wo einst der sehr beliebte Spazierweg genau entlang ging.
Die Hochwassersituation führt dazu, daß für das südliche Oberallgäu ab Samstag 11 Uhr der Katastrophenfall ausgerufen wird. Nach Erreichen des Rekordpegels an der Iller bei Sonthofen um 16 Uhr mit 4,52 m kann Oberstdorf leicht sinkende Pegelstände melden. Am Abend geht das Hochwasser spürbar zurück. Zurück bleiben Schäden, die kaum abzuschätzen sind: viele mit Dreck und Schlamm vollgelaufene Keller, 70 Hektar mit Schlick und Schlamm, Kies und Holz überdeckte Felder und Wiesen, zerstörte Spazierwege und Fahrstraßen, gewaltige Schäden an den Flußläufen und vieles mehr. In einem ersten Überblick schätzt die Gemeinde den Schaden auf über 6 Millionen Mark.
Oberstdorf wie auch viele andere Orte im Oberallgäu waren für mehr als einen Tag vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten. Sowohl die B 19 als auch die Eisenbahnlinie waren für jeglichen Verkehr gesperrt. Tausende Pfingstreisende blieben auf ihrem Weg hängen.
Die Feuerwehr Oberstdorf wurde von seinen Ortsteilfeuerwehren sowie den Feuerwehren aus Sonthofen, Riezlern, Altusried und dem THW mit Tauchpumpen, Stromaggregaten und sonstigem Material unterstützt. Ebenso standen ihr örtliche Privatfirmen tatkräftig zur Seite.
Trotz der immensen Schäden dürfen wir aus Oberstdorfer Sicht - speziell beim Blick auf unsere Nachbarn in Sonthofen, Hlindelang, Immenstadt oder besonders im Seifener Becken - noch insgesamt zufrieden sein. Die Zahl der Geschädigten sowie der Gesamtschaden dürften dort um ein Vielfaches höher sein.