Karg und einfach beginnt das Werben um neue Sommerfrischler nach dem Ersten Weltkrieg. Der Prospekt des Verkehrs- und Kurvereins von ca. 1922 spiegelt die Aufbruchstimmung, aber auch die Einschränkungen jener Zeit in schlichter Gestaltung und preisgünstiger Drucktechnik. Dieses achtseitige Leporello im etwas ungewöhnlichen Format von 12 × 22,5 cm wurde bei den „Vereinigten Kunstanstalten AG Kaufbeuren“ gedruckt (gegr. 1858, aktiv bis 1981). Neben einem umfangreichen Text- und Bildteil sind auf drei Seiten interessante Kleinanzeigen aus jener Zeit zu finden. Erwähnenswert ist auch die Frequenz der Kurgäste, die für 1910 mit 18.386 und in Folge 1921 mit 21.317 Ankünften angegeben wird.
Der nächste derzeit auffindbare Prospekt wurde im Winter 1927/28 aufgelegt. Als Leser spürt man sofort, es geht aufwärts, der Umfang ist auf 8 Seiten angewachsen und das Titelblatt ist mehrfarbig. Das Format ändert sich auf 10,5 × 22,5 cm, diese Standard-Prospektgröße wird im Tourismus bis in die 1980er Jahre Bestand haben. Für das Titelbild zeichnet der Graphiker Edwin Henel (1883 Breslau – 1953 Garmisch Partenkirchen) verantwortlich, der zwischen 1919 und 1926 in Oberstdorf lebte. Zahlreiche Photographien von J. Heimhuber zeigen ein Meisterschafts-Eisläuferpaar sowie ein Eishockey-Wettspiel auf dem Moorweiher, Kurgäste beim Eisstock-Spiel am Kurhaus-Eisplatz und einen Skispringer beim 51 m-Sprung auf der neuen Schattenbergschanze – also wahrlich eine Winterstation von Weltrang.
Der Prospekt warb für die Sommersaison 1928 in Oberstdorf. Die Gestaltung ist verspielter und der Umfang auf 12 Seiten angewachsen. Den Umschlag ziert eine schöne Graphik von Siegmund von Suchodolski (1875 – 1935) aus München. Im Text wird Oberstdorf als „Perle” und „Königin der Allgäuer Alpen” bezeichnet und das bereits 52 km lange Wanderwegenetz angepriesen. Die Bettenzahl beträgt 3.700 Betten. Aus einer kleinen Statistik erfahren wir die Frequenz der Kurgäste in den letzten Jahren: 12.907 (1905), 18.386 (1910), 18.418 (1920), 32.000 (1923), 26.063 (1924), 26.393 (1925), 26.002 (1926) und 31.884 (1927).
Für die Sommer-/Winterausgabe 1929/30 wird erneut der Graphiker Edwin Henel verpflichtet und liefert ein zweifarbiges Titelbild mit einer interessanten Kombination der Themen Ski, Bergsteigen, Tennis. Der aus der letzten Ausgabe bekannte Siegmund von Suchodolski steuert auf der hinteren Umschlagseite eine schöne Collage der damals beliebten Freizeitaktivitäten bei. Interessant ist vor allem der Stellenwert, welcher damals Angeln und Eishockey geschenkt wird. Auch die im Bau befindliche Nebelhornbahn ist bereits vertreten. Der Text- und Bildteil weist einige Variationen auf, entspricht aber weitgehend dem des Vorjahres. Der 12-seitige Prospekt wurde bei Carl Gerber in München gedruckt.
Das Titelbild der Ausgabe aus dem Jahre 1930 fällt besonders ins Auge. Nur selten hat das Thema Tracht eine so zentrale Bedeutung in der Oberstdorfer Tourismuswerbung. Der Graphiker Hermann Keimel (1889 – 1948) aus München lieferte mit viel künstlerischer Freiheit einen Hingucker für die Prospektstände der Reisebüros. Das Format, die Druckerei, der Umfang und die hintere Umschlagseite sind identisch mit der Vorjahres-Ausgabe. Komplett geändert wurde hingegen der Text- und Bildteil. Der gliederungsartige Aufbau weicht nun einem wohlformulierten Werbetext mit schönem Werbeslogan „Oberstdorf – der Ort der Sonne, der Bergseen und der Alpenblumen”. Sämtliche Bilder stammen aus dem Photo-Atelier Heimhuber in Oberstdorf.
Stolz verkündet die Ortsangabe unter dem Oberstdorf-Schriftzug nun neben „843 – 1050 m” jetzt auch „Nebelhornbahn-Bergstation 1.930 m”. Das Titelbild zeigt die Kabine der Bahn hoch über Oberstdorf und verrät, was das wichtigste touristische Thema jener Zeit gewesen sein muss. Ein weiteres Highlight war damals die 1930 neu erbaute Moorwasserbadeanstalt, die besonderen Platz findet mit fünf Aufnahmen. Der Prospekt wirkt etwas einfacher als in den Vorjahren. Trotz 12 Seiten ist derText stark gekürzt und der Bild-Anteil (38 Bilder auf 12 Seiten) stark erhöht worden. Alle Aufnahmen stammen von J. Heimhuber, gedruckt wurde bei Carl Gerber in München.
Von 1931 an wirbt Oberstdorf im Winter nicht mehr mit „Bayerische Alpen”, sondern mit „Bayerisches Allgäu”. Der Text wurde weiter gekürzt, die Anzahl der monochromen Winterphotographien steigt auf beachtliche 23 Stück auf 12 Seiten. Zusätzlich lockern erstmals vier Zeichnungen eines unbekannten Künstlers das Erscheinungsbild der einzelnen Bildseiten auf. Die Nebelhornbahn bleibt natürlich das Highlight. Alle Fotos stammen wieder von J. Heimhuber. Ab dieser Ausgabe werden die Oberstdorf-Prospekte bei Carl Lipp & Co, in München gedruckt.
Diese Winterausgabe lockt wieder mit einer gelungenen Graphik eines unbekannten Künstlers auf dem Umschlag – die Nebelhornbahn behält ihre wohlverdiente Hauptrolle. Der Text wurde komplett neu erstellt und glänzt mit Formulierungen wie „das schöne deutsche Skiparadies für jedermann” oder „Es gibt halt nur ein Oberstdorf”. So liegen z. B. in der Lesehalle am Kurplatz 120 Zeitungen aus und die Sprungschanze erlaubt Sprünge bis 70 m. Die Zahl der Bilder wurde mit 12 Bildern auf 12 Seiten wieder stark reduziert und die Winterpanoramen erstrecken sich in voller Größe über zwei und drei Seiten. Neben vielen Bildern von J. Heimhuber sind diesmal auch die Photographen Kurt Rehmann und Dr. Helmling aus Oberstdorf im Prospekt vertreten.
Der nächste Sommerprospekt bringt gerade Linien, klare Typographie und serifenlose Schriften zurück und wirkt damit zwar modern aber nüchtern. Der Text der Sommerausgabe wurde geringfügig aktualisiert, die Bildauswahl etwas aufgefrischt. Die Gesamtbettenzahl liegt bei 5.000, der Kurbeitrag beträgt 30 Reichspfennig pro Tag und Person, täglich erreichen Oberstdorf 10 Züge und die Nacht im Gasthaus Adler bei Anton Jäger kostet 1,50 Reichsmark bei „erstklassiger Küche und Weizenbier”. Alle Photos sind von J. Heimhuber. Die technische Herstellung wechselte in diesem Jahr zum renommierten Bruckmann Verlag (gegr. 1863) nach München.
Ganz in Blau kommt die nächste Winterausgabe daher. Dieser Kunstgriff verleiht den zahlreichen Winteraufnahmen (25 auf 12 Seiten) einen besonderen Glanz. Auch einige Textpassagen sollen hier hervorgehoben werden: so ist von „absoluter Windstille, Dauer und Intensität des Sonnenscheins und der Reinheit der Atmosphäre“ oder vom Skiübungsgelände am „Karatsbüchel” und von „in Schnee und Rauhfrostglanz starrenden Wäldern” die Rede. Die Herstellung des Prospekts erfolgte bei Buch- und Kunstdruckerei J. Adolf Schwarz (gegr. 1899) in Lindenberg. Diese Druckerei macht mit künstlerisch und drucktechnisch herausragenden Notgeld-Drucken zwischen 1917 – 1923 Lindenberg deutschlandweit als „Geldstadt” bekannt.
Der Autor des Prospekts beschreibt Oberstdorf als „naturnah, erdverbunden und doch teilhaftig an den Errungenschaften der modernen Zivilisation“. Diese Sommerausgabe legt den Fokus erstmalig nicht auf die Nebelhornbahn, sondern auf den „geübten und ungeübten Alpenwanderer”. Faszinierende Naturaufnahmen (Höfatsnadel, Heilbronner Weg, Blenkkamin am Kl. Wilden) werben für unsere „Herrlichste Alpenwelt”. 32 Photo-Aufnahmen von Heimhuber, Haas, Rädler & Rehmann auf nur 12 Seiten vermitteln „Stimmungen die vom Morgen bis zum Abend ständig wechseln”. Ganz nebenbei verweist der Prospekt mit einem Bild auf das „neu erschlossene Baugelände: der Plattenbichl mit Blick nach Süden”. Am Ende noch eine Besonderheit: Diese Ausgabe existiert mit zwei verschiedenen Titelseiten, einmal mit und einmal ohne Rand, vermutlich war der Rand zu dunkel und dies wurde dann in einer späteren Auflage geändert.
Etwas dunkel und trist präsentiert sich Oberstdorf in dieser Wintersaison unter den Schwingen eines wachsamen Adlers in der Höh’ mit Blick zur Höfats. Die Gestaltung ist einfach und zweckmäßig, die Typographie rustikal. Der neue Text hingegen macht beim Lesen Freude: „Großartig und liebreizend zugleich ist die schweigende Winterlandschaft, die überall das Auge entzückt” oder „Aus wintersonnengebräunten Gesichtern strahlt eitel Lebenslust, wenn man sich beim Fünfuhrtee zu froher Geselligkeit trifft”. Die Auswahl aus 16 Photos von Heimhuber, Haas und Rädler auf 12 Seiten ist zweckmäßig, zum ersten Mal wird mit einer prominenten Figur des Eissports geworben: „Die deutsche Kunstlaufmeisterin Maxi Herber auf der schönen, mitten im Dorf gelegenen Eisbahn”.
Diese Winterausgabe ist die erste, die vom gleichgeschalteten „Landesverkehrsverband München und Südbayern” herausgegeben wird. Nun ist auch erstmals deutlich ein Hakenkreuz auf einem der Bilder zu sehen. Ob der Text und die Gestaltung ebenfalls vom Landesverkehrsverband gesteuert wurden, ist nicht bekannt. Mit Formulierungen, wie „Die Oberstdorfer sind fröhlich und gesellig” und „Unterkünfte sind stets zu angemessenem Preisen zu haben” oder „besuchen Sie Oberstdorf, sie werden es lieb gewinnen”, scheint aber ein neuer Autor am Werk zu sein. Ebenfalls neu ist die Einführung einer „Schutzgebühr” von 5 Pfennig. Erstmals ist auch eine Skikarte mit eingezeichneten Skirouten und Rodelbahnen Teil des Prospekts.
Sofort fällt dem Betrachter die geänderte Faltreihenfolge auf: Dieser Sommerprospekt wird wie ein Plakat aufgefaltet. Das ermöglicht die geschickte Platzierung eines großen Panoramabildes über 4 Seiten. Erstmals ist auch von „herrlichen, unschwer erreichbaren Höhenwegen in mittleren Lagen” die Rede. Ebenfalls gelungen: „Oberstdorf, im Sonnenwinkel des Allgäu”. Als Herausgeber fungierte wieder der Landesverkehrsverband und die Schutzgebühr lag bei 5 Reichspfennig. Es ist der erste Prospekt, der im Verlag Allgäuer Anzeigeblatt GmbH in Sonthofen erscheint. Gedruckt wurde er bei „Brend’amour, Simhart & Co.“ (1898 – 2001) in München.
Bei dieser Aufgabe fällt sofort der Umfang auf: von 16 auf satte 24 Seiten ist der Umfang diesmal angestiegen. Auch die Schutzgebühr verdoppelt sich auf 10 Reichspfennig. Die Gestaltung ist, trotz monochromer Ausführung, sehr gelungen durch eine ausgewogene Mischung von großen Landschaftsaufnahmen (nur 17 Photos auf 24 Seiten, alle von J. Heimhuber) und lieblichen Zeichnungen sehr gelungen. Der Text ist neu und nimmt erstmalig Bezug auf die Idee des Tales der Täler: „Aus dem weiten Tal, in dem Oberstdorf inmitten blühender Wiesen eingebettet liegt, führen sieben Seitentäler tief in die einsame Stille der Hochgebirgswelt”.
Ausnehmend schön gestalteter Prospekt mit 16 zweifarbigen Seiten mit tollen Zeichnungen und sehr gelungenem Text: „Irgendwo gehen die anderen jetzt fröstelnd durch feuchte Straßen ihrem Tagwerk nach und manch einer darunter beneidet dich wohl um den glücklich gewählten Winterurlaub. Du aber fährst südwärts, der Wintersonne entgegen. Schon wachsen fern die weißen Gipfel der Berge empor – ein kurzes noch, dann grüßt dich als erster der Grünten. Für kurze Zeit tritt dichter Tannwald bis hart an den Schienenweg, gibt plötzlich den Blick frei in einen weiten, rings von gewaltigen Bergketten umschlossenen Talkessel. Dein Ziel ist erreicht ... Du bist in Oberstdorf”.