Da rennt der Bauer heim zu Weib und Kind, berichtet atemlos das Erlebte, macht Zukunftspläne und zieht schließlich den Schatz aus der Tasche. Auch ein Nachbar ist herzugekommen. Aber anstatt des Goldzapfens fällt ein braunschwarzer Roßbollen aus dem Sacktuch auf den Tisch. Da sind Gelächter und Spott gar groß. Ob er auch immer wieder versichert, der Venediger habe ihm Wohlstand versprochen.
Die Gläubiger wollen keine Geduld mehr haben mit einem solchen Narren. So kommt des Bauern Gütlein auf die Gant, und er muß mit seiner Familie ins Armenhaus. Aber er kann noch immer nicht glauben, daß ihn das Männle so betrogen haben sollte. Deswegen packt er heimlich den Roßbollen ein und wandert über die Berge bis nach Venedig, wo es nicht lange dauert, bis er dem Kleinen begegnet. Aller Bitternis seines Herzens läßt der Bauer jetzt freien Lauf, schimpft auf gut Allgäuerisch, nennt den Venediger einen elenden Spitzbuben und Schwindler, der ihn betrogen, obwohl er ihm das Leben gerettet und den kostbaren Spiegel zurückgegeben habe. Und schließlich gibt er dem Männle auch noch die Schuld, daß er vergantet worden war. Da aber muß das Männle so fürchterlich lachen, daß ihm die Kapuze vom Kopf rutscht.
Der Allgäuer merkt dabei, daß der Venediger steinalt ist, katzgrau und zahnluckig obendrein. Von dem Gelächter aber scheinen die Häuser zu beben, daß es unserem Allgäuer unheimlich wird. Aber da hat ihn das alte Männlein gerade im rechten Augenblick noch am Arm gepackt und in einen Palast gezogen. Sprachlos folgt der Bauer durch winkelige Gänge, bis sie in einen herrlichen Saal kommen. Eine große Menge von Kapuzenmännlein scheint da auf den Kleinen gewartet zu haben. Sie legen ihm einen Goldmantel um und führen ihn zu einem Thronsitz. Da merkt der Bauer, daß er es mit dem Venedigerkönig zu tun hat und wartet still.
Der König erzählt der Versammlung von der Begegnung an der Höfats und wie er den Bauern lohnte. Und als er zum Schluß die Versammlung fragt, ob sie damit einverstanden seien, stimmen sie alle zu. Der Oberstdorfer aber schüttelt den Kopf und sagt, indem er sein Tüchle auspackt: „Lüeget her! Hintanocha isch es a Roßbolle gsi!” Aber was da auf den Marmortisch fällt, das klingt, wie gute Dukaten klingen, und ist eine Goldkugel. Der arme Mann juchzt vor Freude und schreit: „Annele, Annele, wenn de nu do wäresch! ” Denn seinem Weib hätte er den Anblick gar so gern gegönnt.
Der Venedigerkönig ist gerührt und sagt ihm, daß nie ein Weib in dieses Reich kommen dürfe, daß er dem Allgäuer aber die Seinen in einem Venedigerspiegel zeigen könne. Wie der Bauer zur Wand schaut, sieht er in einem Riesenspiegel die Stube im Armenhaus. Sein Weib teilt den Kindern gerade das Brot aus dem Bettelsack. Da hält es den Mann nicht länger. „I mueß hui!”, ruft er und wendet sich nach der Tür. Die Venediger aber weisen ihn in einen Gang, durch den soll er laufen, ohne die Augen zu öffnen, eine halbe Stunde lang. Und dabei stecken sie ihm etwas in die Taschen.
Er folgt getreulich und rennt und rennt über ebenen Boden und steht nach kurzer Zeit am Fuß der Höfats, gerade an dem Platz, wo er damals den Spiegel gefunden hat. Fröhlich wie noch nie ist er den Weg nach Oberstdorf gelaufen. In seinen Taschen aber ist so viel gutes Venedigergold gewesen, .
Elemente aus Zwergensagen sind hier einerseits der König und andererseits der Lohn, der sich als Roßbollen entpuppt. Die uralten, vorchristlichen Zwergensagen sind jedoch in unserem Sagenschatz meines Erachtens eher in den Sagen von den Wilden Männle aufgegangen - hiervon aber in einem später folgenden Artikel. Kommen wir zurück zu den Venedigern. Ein besonders interessantes Motiv in der letzten Sage ist der Zauberspiegel, der den Bogen schließt. Wer sonst konnte in früherer Zeit ein Glas herstellen, mit dem man Dinge vergrößert anschauen konnte? Nur die Glasbläser aus Murano waren hierzu in der Lage, und dazu benötigten sie Mangan aus unseren Allgäuer Alpen. Basierend auf entstanden diese Venedigersagen, die uns einiges über Wissenschaft und Technik im Mittelalter und auch über die mannigfaltigen Verknüpfungen in der Alpenregion erfahren lassen.
Fortsetzung folgt